Es kann einem schwindlig werden bei den Beträgen, die westliche Regierungen alle paar Tage als neue, zusätzliche Ukrainehilfe anpreisen. Am Dienstag hatte Bundeskanzler Olaf Scholz weitere 500 Millionen Euro Waffenhilfe zugesagt. Am Mittwoch folgte US-Präsident Joe Biden mit drei Milliarden Dollar – das ist, nur mal zur Größenordnung, mehr als der Bundeszuschuss, der in Deutschland drei Monate Neun-Euro-Ticket möglich machte. Zur Militärhilfe kommen viele Milliarden Finanzhilfe, damit die Ukraine unter den Kriegslasten nicht bankrott geht, und humanitäre Hilfe, um Kriegsflüchtlinge zu versorgen. Laut „Support Tracker“ des Instituts für Weltwirtschaft (iwf) in Kiel summierten sich die internationalen Zusagen zwischen Ende Januar und Anfang August auf 84 Milliarden Euro. Das ergibt umgerechnet auf die Monate weit mehr als die sechs Milliarden, die oft als monatliche Kriegskosten für Kiew genannt werden.

Bei der Militärhilfe kommt die Sorge hinzu, ob sie jemals reichen wird, damit die Ukraine den Krieg für sich entscheidet? Oder ob sie das Sterben und Leiden nur verlängert? Das behauptet der Kreml aus durchsichtigem Eigeninteresse; der Westen solle die Hilfe doch besser beenden. Doch auch einige Experten im Westen nehmen die Mahnung ernst. Sind die Hilfszusagen also nötig und vernünftig?

Alles in allem ja. Die westlichen Staaten wägen ab, was sie tun und was nicht. Die Ukraine soll sich verteidigen können. Aber die hoch effektiven Waffen, die sie gebraucht hätte, um Putins Armee überlegen zu sein, bekam sie lange Zeit nicht – weil ihre Soldaten an diesen Waffen erst ausgebildet werden müssen. Aber auch aus Sorge, die Ukraine könne im Übermut russisches Gebiet angreifen. In der Vergangenheit hat der Westen oft zu wenig zu spät geliefert und der Ukraine die Verteidigung erschwert. Wochen oder gar Monate vergingen zwischen der Zusage und dem Eintreffen der Hilfe. An der Häufung neuer Ankündigungen lässt sich ablesen: Die Zuversicht wächst, dass die Ukraine nicht nur Gebiet verteidigen, sondern verlorenes Territorium zurückerobern kann. Und dass westliche Systeme der russischen Technik so weit überlegen sind, dass sie den Unterschied ausmachen können zwischen Niederlage, Sieg oder einem Patt.

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