Berlin - Tönnies kommt mit China wieder ins Geschäft. Deutschlands größter Schlachtbetrieb verkündete vor ein paar Tagen stolz, ein Schlacht- und Zerlegezentrum in der südwestchinesischen Provinz Sichuan bauen und betreiben zu wollen. Dort sollen bis zu zwei Millionen Schweine jährlich geschlachtet werden. Tönnies bringt in das Joint-Venture mit der Dekon Group nach eigenen Angaben vorerst einen zweistelligen Millionenbetrag ein. Die Deutschen übernehmen Planung und Konstruktion der Anlage. „Die Dekon Group hingegen vollzieht den Bau und die technische Umsetzung“, teilte der Konzern aus Rheda-Wiedenbrück mit. Beide Unternehmen sind mit jeweils 50 Prozent beteiligt, das gesamte Investitionsvolumen soll sich auf 500 Millionen Euro belaufen.

Nach dem ersten Fall von Afrikanischer Schweinepest (ASP) in Deutschland hatten die Chinesen im September ein Importverbot für deutsches Schweinfleisch verhängt. Nun baut Tönnies seinen ersten Schlachthof außerhalb Europas in China. Das riesige Land war bisher der größte Abnehmer von Schweinefleisch aus Deutschland außerhalb der EU. Durch die wachsende Mittelschicht, die nach Schätzungen des chinesischen Wirtschaftsmagazins Caixin derzeit rund 400 Millionen Menschen umfasst, ist auch der Fleischkonsum erheblich gestiegen. China ist inzwischen mit Abstand das Land mit dem weltweit größten Fleischkonsum: Pro Jahr wird dort mehr als ein Drittel des weltweit produzierten Fleisches verzehrt.

Nach Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums werden die Chinesen bis Ende des Jahres voraussichtlich 40,3 Millionen Tonnen Schweinefleisch gegessen haben. Dass der Konsum durch die Corona-Pandemie zurückgeht, ist nicht abzusehen. Chinesischen Statistiken zufolge hat China allein im ersten Quartal 756 000 Tonnen Schweinefleisch aus der EU gekauft. Dies entspricht einer Steigerung von 76 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum und macht 54 Prozent des gesamten Fleisch-Exportvolumens der EU aus.

Das Wachstum erklärt sich auch mit der Afrikanischen Schweinepest, die in China schon im August 2018 aufgetreten war. Die chinesischen Bauern mussten daraufhin fast die Hälfte der in China gezüchteten Schweine keulen. Daraufhin stiegen im Winter vergangenen Jahres die Schweinepreise zeitweilig um über 150 Prozent. Peking war gezwungen, die seit 2007 angelegten „strategischen Schweinefleisch-Reserven“ zu öffnen, um die Preise zu stabilisieren – und die Gemüter der Verbraucher zu beruhigen. Ferner wurde immer mehr Fleisch aus den USA und aus Europa importiert.

Wang Bin, Abteilungsleiter im Handelsministerium, sagte vor einer Woche auf der Internationalen Import Expo, die Importe von Fleisch und Innereien würden in diesem Jahr auf mindestens 9,5 Millionen Tonnen steigen. „Chinas Bauern sind dabei, Herden wiederaufzubauen, da sie wieder mit steigendem Schweinefleischkonsum rechnen“, so Wang. Dazu passt, dass Tönnies mit seinem chinesischen Partner bei Bedarf die Kapazitäten in der Schweineschlachtung auf bis zu sechs Millionen Tiere pro Jahr ausweiten kann. „Die Nachfrage nach Schweinefleisch in China und vielen weiteren asiatischen Ländern ist groß und wird in den kommenden Jahrzehnten weiter wachsen“, heißt es bei Tönnies. Doch Peking setzt dem Wachstum Grenzen.

Die Regierung hat das Ziel ausgegeben, bis zum Jahr 2030 den Fleischkonsum seiner Bürger etwa um die Hälfte reduzieren zu wollen. Zu groß sind die Umweltschäden der Massentierhaltung. Vielleicht geht aber auch die „Fressphase“ des chinesischen Wirtschaftswunders langsam zu Ende, denn immer mehr Chinesen in den Großstädten verzichten bewusst auf übermäßigen Fleischkonsum.

Für Tönnies, dessen Konzern in der Corona-Krise aufgrund der Arbeitsbedingungen schwer in Kritik geraten war und der in den letzten Jahre viel Geld mit dem Export von Schweineohren und -schwänzen nach China verdient hat, ist das neue Joint-Venture nach langer Zeit mal wieder eine gute Nachricht. Ning Wang