In Berlin fehlt es an Parks und auch an Wohnungen – und weil immer mehr Baugrund auf Grünflächen und Brachen entsteht, verschlechtert das die Klimabilanz der Stadt und heizt diese auf. Der Architekt und frühere BDA-Chef Andreas Becher hat nun einen Ausweg aus diesem Dilemma vorgeschlagen: „Ein neuer autofreier Volkspark mit Wohnungen über der A100 – und das klimaneutral.“ Die Pläne stellt sein Büro kommenden Dienstag auf der Münchener Immobilien-Messe „Expo-Real“ vor.

So will der Planer die teils unter Straßenniveau verlaufende A100 zwischen dem Rathenauplatz am oberen Kurfürstendamm und der Hohenzollernbrücke im Stadtteil Wilmersdorf mit Recycling-Beton gleichsam in einen Tunnel verwandeln. „Deckel drauf und schon ist Platz für einen üppigen Grünzug mit Holzhybrid-Wohnhäusern in einem ruhigen Umfeld“, sagt Becher. Durch diesen Eingriff könnten insgesamt rund 150.000 Quadratmeter oberirdische Fläche gebaut werden, ein Viertel davon für Bürohäuser sowie 1500 Wohnungen. Fast 5000 Menschen hätten in dem neuen grünen Quartier Platz. Der Park hätte eine Größe von rund dreieinhalb Fußballfeldern – 35.000 Quadratmeter.

Die Deckelung von Autobahnabschnitten ist immer wieder mal ein Thema in der Stadt. Ideen für einen solchen Eingriff hatte es auch für das Umfeld des ICC gegeben. Hier verläuft die Stadtautobahn ohnehin tiefer, so dass auch hier nur ein Deckel aufgesetzt werden könnte, um neue Gebiete zu erschließen.

Die Konstruktion der auf der Autobahn entstehenden neuen oberirdischen Fläche ist mit soliden Fundamenten möglich. Sogar Überbauungen von ebenerdig verlaufenden Autobahnen gibt es in Berlin: Die „Schlange“ nahe des Breitenbachplatzes in Wilmersdorf. Das Hochhausensemble ist voll vermietet und beliebt.

Das Reizvolle an Bechers Vorschlag ist die zentrale Lage: Der Rathenauplatz liegt am westlichen Ende des Kurfürstendamms und von dort aus würde sich das neu erschlossene Quartier in bester City-Lage Richtung Südwesten erstrecken, in eine begehrte Wohnlage hinein.

Und es schafft Wohnungen, die in Berlin zwar für die meisten zu teuer sind, aber von vielen Neu-Berlinern dringend gesucht werden. Hinzu kommt: Durch den neuen Stadtpark würde sich die Klimabilanz der rund um die Autobahn und die Bahn-Gleise stark belasteten Quartiere verbessern.

Am Eingang des „Klimaquartiers“ sehen die Pläne des Planungsbüros ein Hochhaus vor, als „weithin sichtbares vertikales grünes Gebäude, ein Ausrufezeichen am neuen Eingang zur City-West“. Auf 25 Jahre Planungs- und Bauzeit veranschlagen die Architekten ihr Vorhaben. Die „städtische Transformation“ soll nicht nur den westlich verlaufenden Abschnitt der A100 erfassen, Richtung Wilmersdorf und Schmargendorf, sondern auch das Umfeld vom ICC Richtung Norden bis zur Rudolf-Wissel-Brücke.

ICC und Messegelände zählen zu den Musterbeispielen für die Planung der autogerechten Stadt. Fußgänger werden bei diesem längst überholten Konzept in den Untergrund verdrängt. Sie müssen die Autoschneisen in Tunneln kreuzen, die von vielen als „Angsträume“ wahrgenommen werden. Das Planungsbüro trifft mit seinen Vorschlägen eine Stimmung in der Stadt. Weniger Platz für Autos, mehr Raum für Menschen, Räder, Parks und auch Wohnungen. Zu den größten Vorhaben dieser Art gehört die Wiederherstellung des Molkenmarktes in Mitte – dort soll durch die Verengung und Verlegung der Straße Bauland gewonnen werden, um Wohnungen zu errichten.

Und Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt hatte vor kurzem den „Rückbau“ des vom Bund aufgegebenen Autobahnstummels A104, inzwischen der Abzweig Steglitz der A100, angeregt. Bereits zuvor hatte sich der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf für einen Abriss der Autobahnbrücke am Breitenbachplatz ausgesprochen, zu der die frühere A104 hinführt.

Auch Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) hatte sich jüngst für die „Entsiegelung“ von Autobahnabschnitten ausgesprochen. Geisel stellte sich hinter die Vorschläge von Kahlfeldt und nannte auch die A103 eine „Fehlentwicklung“, die revidiert werden müsse. Diese „Westtangente“ führt vom Sachsendamm in Schöneberg zum Steglitzer Kreisel und sollte nach ursprünglichen Plänen den Autoverkehr beschleunigen und über den Tiergarten bis zum Stadtteil Wedding führen.