Noch ist die Fläche im Süden des Britzer Gartens kahl und wenig einladend. In mitten braunen Modders sieht man, an einem windigen Vormittag Mitte Februar, ein paar einzelne ältere Bäume und Pfützen. In einer Ecke türmen sich planenbedeckte Erdhaufen, dahinter steht ein Container. Wenig deutet darauf hin, dass hier in den kommenden Monaten ein innovativer neuer Gemeinschaftsgarten entstehen soll. Bis vor Kurzem war die Fläche, die als Ausgleichsfläche für den Bau der Autobahn 100 dient, Weide für die Rinder vom Britzer Garten. Die Rinder sind mittlerweile umgezogen, nun wird die Erde vorbereitet für den ersten Berliner Waldgarten.

Die Idee dahinter? Eine Art Mischung aus Klein- und Gemeinschaftsgarten, Flächen für die Umweltbildung – und einem nachhaltigen Ansatz, der für den Klimawandel gewappnet sein soll. „Ein Waldgarten ist ein waldartiger Garten aus essbaren Pflanzen, mit mehreren Schichten“, erzählt Jennifer Schulz. Die Landschaftsplanerin von der Uni Potsdam hat das Konzept gemeinsam mit ihrem Kollegen Thorsten Lipp entwickelt. Bei einem Waldgarten würden Obst- und Nussbäume die oberste Schicht bilden, darunter wachsen dann Sträucher mit Beeren oder andere Nutzpflanzen und ganz unten Kräuter, Gemüse und Wurzelpflanzen. Die verschiedenen Schichten überlappen sich teilweise und sollen sich gegenseitig ergänzen: Durch den Schatten und die Wurzelschicht würde etwa Wasser gespart, erklärt Jennifer Schulz. Die Schichten ergänzen sich gegenseitig, schützen sich vor Umwelteinflüssen und Schädlingen, bieten Insekten und Vögeln einen Lebensraum – und verringern gleichzeitig den Pflegeaufwand. Das macht das Konzept auch für Kleingärtner:innen interessant. Seit 2019 suchten Schulz und Lipp öffentliche Flächen, die für ein Waldgarten-Projekt geeignet wären – und wurden schließlich am Rande der Neuköllner Parkanlage fündig. Unterstützung fanden sie bei Manfred Hopp, Geschäftsführer des Bezirksverbandes der Kleingärtner im Berliner Süden, und Ursula Müller, Leiterin des Freilandlabors Britz. „Auch in Kleingärten haben wir ja zukünftig mehr mit dem Thema Trockenheit zu tun“, sagt Manfred Hopp. „Und jetzt wollen wir mit dem Projekt mal gucken: Wie kann man der Trockenheit entgegenwirken, ohne ständig zu bewässern?“ Denn auch die Wasserressourcen seien ja nicht unerschöpflich. „Wir wollen schauen: Wie kann man anders gärtnern? Und damit gewissermaßen das Gärtnern neu erfinden“, sagt Hopp – und widerlegt damit gleichzeitig das Klischee der antiquierten Kleingartenidylle, mit gestutztem Rasen, Gartenzwerg und holzvertäfelter Laube.

Im Waldgarten soll künftig nicht nur anders, sondern vor allem auch gemeinsam gegärtnert werden. Denn auch wenn Kleingärtner:innen mittlerweile nach neuen Techniken schauen – am eigenen Reich, abgegrenzt durch Hecke und Zaun, hielten viele Gärtner:innen noch fest, sagt Ursula Müller vom Freilandlabor.

Seit 1985 organisiert das Freilandlabor Umweltbildungskurse, vor allem mit Schulen und Familien – und stößt auch da immer wieder auf eingerostete Strukturen und Vorgänge, sagt Müller. Sie sieht den Waldgarten auch als Experimentierfeld für Schulklassen und Kitas. Idealerweise könne er als Vorbild für einen pflegearmen Schulgarten dienen: Denn die Pflege sei bislang meist das größte Problem bei Gartenprojekten. „Es muss ja sichergestellt werden, dass auch in den Sommerferien nichts vertrocknet“, sagt Ursula Müller.

Und wie soll der Waldgarten dann konkret aussehen? Geplant ist eine große, zentrale Fläche für den Gemeinschaftsgarten und das Freilandlabor. Drum herum sollen einzelne Cluster, also Einheiten, aus jeweils mehreren Kleingartenparzellen entstehen – die sich aber innerhalb ihrer Einheit wieder gemeinsam organisieren und eigene Gemeinschaftsflächen betreiben. Gegärtnert werden soll auch hier nach dem Waldgartenprinzip. Dazwischen sollen öffentliche Wege zum Flanieren und Entdecken einladen.

Etwa 200 Menschen, viele davon aus der unmittelbaren Nachbarschaft des künftigen Gartens, würden sich derzeit im Projekt engagieren – und sich schon darauf freuen, dass bald tatsächlich auf der Fläche gegärtnert werden darf, sagt Projektleiterin Jennifer Schulz.

Sobald die Erdarbeiten abgeschlossen sind, sollen die ersten der rund 400 Obstbäume gepflanzt werden. Dann sollen die Pflanzflächen und Gartenbereiche nach und nach ihre künftige Form erhalten, bezogen werden können die Gärten dann laut Planung im kommenden Jahr. Rund 100 Menschen stünden derzeit schon auf der Warteliste für Gartenparzellen und Gemeinschaftsflächen, sagt Schulz.

Weitere Infos zum Projekt gibt es unter urbane-waldgaerten.de.