Die Händler und Händlerinnen auf dem Genter Wochenmarkt kennen Ciska Jansen schon. Wenn die gebürtige Niederländerin jeden Mittwoch und Samstag zum Einkaufen vorbeikommt, ist trotz Maske und Abstand immer Zeit für eine herzliche Begrüßung und einen kurzen Plausch.

Was ist heute besonders frisch, wofür ist gerade Saison, was ist im Angebot – das sind die Fragen, die das Treiben auf dem Wochenmarkt in Wedding bestimmen. Jansen kauft jedes Mal große Mengen Obst und Gemüse, die sie nach dem Marktrundgang in den roten Taschen an ihrem Hollandrad verstaut. In dieser Woche hat sie unter anderem Spargel, Kürbis, Äpfel und Heidelbeeren besorgt. Die Markteinkäufe sind längst nicht nur für Jansen und ihren Ehemann bestimmt.

Die gelernte Kunstpädagogin hat zwei große Leidenschaften: Kochen und soziales Engagement. Mit „Cooking for Peace“ verbindet sie beides und ist als Kochaktivistin, wie sie sich selbst nennt, unterwegs. Gutes Essen ist für Jansen mehr als gesunde Ernährung oder ein privates Hobby. „Das kann ein Stück Heimat sein, Trost spenden oder ganz unterschiedliche Menschen miteinander verbinden“, sagt die 58-Jährige. Vor der Corona-Pandemie gab Jansen Indonesisch-Kochkurse an der Volkshochschule Mitte – ihre Mutter stammte aus Indonesien und lehrte sie die südostasiatischen Kochkünste. „Sie ist schon gestorben, aber ihr Foto hängt bei mir in der Küche, so schaut sie mir immer beim Kochen zu“, erzählt Jansen. Auch in der Geflüchtetenhilfe engagiert sich die Kochlehrerin. Mit Bewohner:innen aus einer Berliner Notunterkunft kochte sie Gerichte aus deren Heimat für bis zu 150 Personen. Bei einer anderen Aktion brachte sie alteingesessene und neu zugezogene Berliner:innen beim Abendessen an einen Tisch.

Als Ciska Jansen 2014 „Cooking for Peace“ gründete, war ihre ursprüngliche Idee, Israelis und Palästinenser:innen dazu zu bringen, gemeinsam zu kochen. Daher der Name des Projekts – kochen für den Frieden im wörtlichen Sinn. „Aber das ist irgendwie misslungen“, muss Jansen lachend zugeben. Allerdings nicht, weil die beiden Gruppen nicht miteinander kochen wollten, sondern „weil sich sofort ganz viele Menschen aus allen möglichen Ecken der Welt gemeldet haben, die alle mitmachen wollten.“ In der Corona-Pandemie ist das Kochen in großen Gruppen, das Ciska Jansen sonst so viel Freude bereitet, nicht möglich. Dabei gibt es gerade jetzt viele Menschen, die Zuwendung und Aufmerksamkeit gebrauchen können, wie die Kochlehrerin festgestellt hat. Deshalb zieht sie sich jeden Samstag ihre blaue Schürze an und stellt sich in die Küche ihrer Altbauwohnung im Afrikanischen Viertel.

Dort kocht Jansen nun vorerst alleine Suppe und backt Kuchen und Kekse. Seit Februar gibt es die wöchentlichen Kochaktionen. Anfangs hätten sich nur wenige angemeldet, erzählt Jansen. „Für viele Menschen ist es schwierig, offen zu sagen, dass sie Unterstützung brauchen – aber jeder kennt jemanden, der vielleicht einsam, krank oder überfordert ist.“ Inzwischen habe sich durch die Mithilfe anderer Ehrenamtlicher ein gutes System etabliert. Sie melden sich stellvertretend für andere an und holen das Essen bei Ciska Jansen ab. Vier Menschen bekocht sie so jedes Wochenende – zwei ältere Damen, den einsamen Nachbarn, aber auch psychisch kranke und wohnungslose Menschen. Wenn sie ausgebucht ist und es noch mehr Interessenten gibt, kommen sie in der nächsten Woche an die Reihe.

Ob gutbürgerliche deutsche Erbsensuppe, Safran-Kichererbsensuppe mit geröstetem Blumenkohl und roter Bete, indonesischer Erdnusssuppe oder Süßkartoffelsuppe mit Kräutercrêpe-Streifen – Jansens Repertoire an Gerichten und Zutaten scheint endlos. Zum Nachtisch gibt es Schokoladenkekse, Blutorangenkuchen oder „Oliebollen“ – die niederländische Variante von Quarkkeulchen. „Dabei bin ich eigentlich keine Bäckerin“, sagt Jansen, „aber ich versuche es mit den weniger komplizierten Rezepten.“

Die Zutaten für ihre Verschenk-Aktionen finanziert die Köchin aus eigener Tasche. Manchmal bringt jemand eine Spende vorbei wie neulich, da gab es eine riesige Dose mit schwarzen Bohnen. Einige, die ihr Angebot in Anspruch nehmen, bestünden auch darauf, etwas zu bezahlen, erzählt Jansen, auch wenn es für sie ausdrücklich nicht sein muss. „Es kostet nicht viel, ich schaue, was im Angebot ist“, sagt sie und fügt begeistert hinzu: „Nur diese Woche wird es etwas teurer, weil ich unbedingt Spargelsuppe machen wollte!"

Ciska Jansen verteilt Flyer mit ihrem Angebot in der Nachbarschaft und veröffentlicht es in den sozialen Medien. Für ihr Engagement bekommt sie dort besonders viel Lob. Manchmal kommentieren hunderte Berlinerinnen und Berliner ihre Posts und danken ihr. Das freut Jansen zwar, aber es verwundert sie auch. „Das ist gar nichts, was ich mache, das kann jeder“, ist sie überzeugt.

Jansen würde sich wünschen, dass noch mehr Menschen die Initiative ergreifen und sich für andere, denen es weniger gut geht, einsetzen. „Wenn wir hundert Leute wären, die für andere kochen – dann könnten wir so vielen helfen“, sagt sie. Es müssten ja auch keine komplizierten Gerichte sein, und auch nicht jedes Wochenende. Oder man könne sich einer ehrenamtlichen Organisation anschließen, etwa den Hilfstouren der Berliner Obdachlosenhilfe. Am Ende gehe es darum, dass Menschen in schwierigen Lebenslagen ein kleines Extra an Aufmerksamkeit bekommen und sehen, dass jemand für sie da ist. Welche Wirkung diese Aufmerksamkeit entfalten kann, werde auch in der sozialen Arbeit oft unterschätzt, findet Jansen. „Das kann Menschen neuen Lebensmut geben.“

Ciska Jansen ist selbst das beste Beispiel dafür, dass jeder etwas tun kann – trotz persönlicher Einschränkungen: Auch von einer Krebserkrankung lässt sie sich nicht von ihrem Engagement abhalten. „Ich kann zwar weniger tun als früher, aber ich kann trotzdem etwas tun“, lautet ihr Motto. Jansen hofft, dass sie so auch eine Inspiration für andere sein kann. Und sie hofft, dass die Corona-Pandemie bald vorbei ist, damit sie wieder mit vielen Menschen gemeinsam kochen und am Tisch sitzen kann. Schließlich sei es etwas anderes, jemandem nur eine Tüte mit Suppe und Kuchen in die Hand zu drücken – oder es sich gemeinsam schmecken zu lassen.

Weitere Informationen zu „Cooking for Peace“ und Ciska Jansen finden Sie im Netz unter: www.facebook.com/CookingforPeaceBerlin. Wenn Sie sich ehrenamtlich engagieren möchten, gibt es hier weitere Informationen: www.berliner-obdachlosenhilfe.de, www.moabit-hilft.com/unterstützen/zeitspenden/

Mehr als nur Ernährung. Die gelernte Kunstpädagogin und gebürtige Niederländerin Ciska Jansen hat zwei große Leidenschaften: Kochen und soziales Engagement. Mit ihrem Projekt „Cooking for Peace“ verbindet sie beides. Die Gerichte stammen teils von ihrer indonesischen Mutter. Foto: Sven Darmer