Herr Smerling, Teile der Berliner Künstlerschaft rufen zum Boykott von Ihrer Kunsthalle auf. Verstehen Sie die Aufregung um Ihre Person und Ihren Verein?

Bei der Namenswahl „Kunsthalle Berlin – Flughafen Tempelhof“ hätte es eine umfassendere Abstimmung geben müssen. Dass sie nicht stattfand, war ein Fehler. Die daraus resultierende Verärgerung bedauere ich und würde die Bezeichnung ändern, wenn das hilft. Deswegen sollten sich jetzt alle an einen Tisch setzen. Es geht nicht darum, Kunst zu verhindern, sondern zu zeigen.

Der Streit entzündet sich nicht nur an der Bezeichnung, die eine unabhängige Institution suggeriert und keine Personalunion von Träger und Programmmacher. Er entzündet sich auch an den öffentlichen Mitteln, die Sie als privater Verein erhalten.

Wir haben die Ausstellung „Diversity United“ in Berlin zu 100 Prozent privat finanziert. Anders verhält es sich für die Moskauer Station von „Diversity United“ in der Tretjakow-Galerie: Hier haben wir vom Auswärtigen Amt eine Million Euro als zweckgebundene Zuwendung im Rahmen des Deutschlandjahres in Russland 2019/2021 erhalten.

Nun erhalten Sie Zuschüsse in Berlin. Wie kam der Vertrag mit der Tempelhof Projekt GmbH zustande?

Der ehemalige Regierende Bürgermeister Michael Müller hat mir angeboten, die beiden Hangars nach Ende der Ausstellung weiter zu bespielen. Ich bot an, ein Konzept zu entwickeln, und schlug ihm vor, in Hangar 2+3 die nächsten zwei Jahre Ausstellungen zu realisieren, für die der Senat nichts zahlen muss. Im Gegenzug baten wir darum, die Hallen miet- und kostenfrei nutzen zu können. Als es hieß, dass wir uns an den Nebenkosten mit 50 Prozent beteiligen müssen, haben wir zugestimmt. Im Vertrag steht zwar, dass bis zu 100 000 Euro anfallen könnten, aber wir halten die Betriebskosten niedrig. Bei „Diversity United“ lagen sie bei 18 000 Euro monatlich.

Trotzdem besteht die Sorge, dass hier Public-Private-Partnership zugunsten einer privaten Agenda betrieben wird.

Wir sind seit 36 Jahren ein gemeinnütziger Verein, der nahezu 300 Ausstellungsprojekte realisiert hat. In den letzten acht Monaten haben wir über 220 000 Menschen zur Kunst gebracht: ob in Bonn, Moskau, Berlin oder Duisburg. Wir machen keine Gewinne.

Wie kommt es dann, dass Sie den Zuschlag erhalten haben, ohne ein Konzept für die nächsten zwei Jahre vorzulegen?

Der Tempelhof Projekt GmbH war über die bisherige Zusammenarbeit bei „Diversity United“ erfreut. Die Ausstellung mit Stahlskulpturen lag im Winter aus Klimagründen nahe. Für das weitere Programm wäre es schön, mit Kulturverantwortlichen in Berlin einen Beirat zu bilden, um sich auszutauschen.

Das kommt zu spät, Sie haben ja schon ohne Austausch begonnen. Was wollen Sie im Beirat besprechen?

Es gibt viele Ideen. Auf alle Fälle wollen wir uns über die Kunst im 21. Jahrhundert Gedanken machen und natürlich auch die Berliner Szene präsentieren. Vorgaben von der Tempelhof Projekt GmbH habe ich keine bekommen.

Und wen hätten Sie gerne im Beirat?

Seit den Auseinandersetzungen in den letzten Wochen ist das schwieriger geworden. Es wird viel geschimpft und behauptet, aber kaum einer unterhält sich mit uns. Auch der Berufsverband Bildender Künstler:innen Berlin kommuniziert nicht mit uns direkt. Ich konnte zum Beispiel Krist Gruijthuijsen treffen, den Direktor der Kunst-Werke. Natürlich würde ich mich außerdem gerne mit den Direktor:innen der Berliner Institutionen austauschen.

Für sie dürfte das weniger interessant sein. Bei Ihren Ausstellungen gewinnt man den Eindruck, dass immer die gleichen großen Namen auftauchen.

Das stimmt nicht. Die Ausstellungen „Luther und die Avantgarde“, „China8“, „Deutschland8“ widersprechen dem. Bei „Diversity United“ waren viele nichtetablierte Künstler dabei, nur zwölf, 13 sind international sehr bekannt. Natürlich haben wir einige schon zuvor präsentiert: Bernar Venet zuletzt vor 15 Jahren mit einer Einzelausstellung. Bei „Licht und Transparenz“ jetzt in Bonn sind neben Anthony Cragg auch Monica Bonvicini und Mariele Neudecker zu sehen.

Welche Pläne haben Sie konkret für Berlin?

Vor allem will ich ein Angebot machen und niemandem etwas wegnehmen.

Für Ärger sorgte auch, dass Sie den Teilnehmenden von „Diversity United“ keine Honorare zahlten, wie das bei Ausstellungen des Landes üblich ist. In Zeiten der Pandemie wäre dies wichtig gewesen.

Wir haben die Künstler:innen vor zweieinhalb Jahren eingeladen, noch vor der Pandemie. Die Bedingungen waren damals klar: Für Transport und Teile der Produktion übernehmen wir die Kosten. Alle Künstler:innen wurden mit Produktions-, Reisekosten und Honoraren unterstützt, soweit dies erforderlich war. Wir haben letztlich Zuschüsse dafür gegeben, dass sie Werke schaffen konnten.

Jetzt gibt es eine Förderung. Werden Sie also künftig Honorare zahlen?

Unsere Ausstellungen finanzieren wir weiterhin privat, nur die Betriebskosten werden hälftig bezuschusst. Es kann nicht davon die Rede sein, dass wir jemandem die Hangars 2+3 wegnehmen. Ateliers, die gebraucht werden, wären nach meinem Verständnis darin schwierig.

Für „Diversity United“ konnten Sie Wladimir Putin als Schirmherrn gewinnen. Finden Sie das heute noch richtig?

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Schirmherrschaft in Berlin übernommen, Putin in Russland sowie Emmanuel Macron in Paris, wenn die Ausstellung dort stattfindet. Als wir vor drei Jahren mit dem Projekt anfingen, ahnte niemand, wie sich die Situation mit Russland entwickelt. Wir suchen auch mit denjenigen das Gespräch, mit denen wir nicht einverstanden sind: für Brücken jenseits politischer Schwierigkeiten.

Würden Sie mit Putin noch einmal als Schirmherrn zusammenarbeiten?

Ob es zu einer solchen Konstellation erneut kommt, kann ich nicht sagen. Im Moment kann ich mir das nicht vorstellen.

Wie funktioniert Ihr Netzwerk, das System Smerling? Wie finden Sie Ihre Unterstützer in der Politik und der Wirtschaft?

Das System Smerling gibt es nicht. Ich denke, ich bin in der Kulturwelt nicht der einzige, der potenzielle Sponsoren und Förderer anspricht. Um andere zu gewinnen, muss man sie kontaktieren und Ideen austauschen. Bisher waren unsere Ideen offensichtlich überzeugend.

Haben Sie nicht Bedenken, wenn sich einer der Hauptunterstützer der „Kunsthalle“, der Immobilieninvestor Christoph Gröner, anschließend im TV-Interview vor dem Flughafen Tempelhof brüstet und von „Kunst als Türöffner“ spricht? Sie liefern ihm als Entwickler den Schlüssel.

Fakt ist, es braucht eine intelligente Verbindung von Kultur und Wirtschaft, um Kunst öffentlich zeigen zu können Die Übernahme der Schirmherrschaft bedeutet auch, dass Informationen über Ausstellungskonzept, Finanzierung und die Sponsoren dargelegt werden müssen, darunter Daimler, New Yorker, Lars Windhorst ...

… dessen Firmen immer wieder im Zusammenhang mit Finanzskandalen genannt werden …

Diese haben das Auswärtige Amt und Bundespräsidialamt ohne Beanstandungen akzeptiert. Im Übrigen war die Zusammenarbeit mit allen hervorragend.

Verspüren Sie kein Unbehagen bei einem Auftritt wie von Christoph Gröner mit Ihrer Ausstellung als Hintergrund?

Nein, im Gegenteil. Seine Äußerung lässt sich verschieden interpretieren. Wir bringen Menschen zusammen, die ohne Kunst nicht zusammenkämen. Wir brauchen Türöffner: So könnten auch bezahlbare Ateliers entstehen. Mich haben noch andere Unternehmer in Berlin angesprochen, um uns zu unterstützen.

Warum zahlen Sie dann nicht die vollen Betriebskosten für Ihre Kunsthalle?

Wir müssen das finanzielle Risiko so gering wie möglich halten. Public-Private-Partnership ist doch gut, wenn es auf Augenhöhe geschieht. Über die Betriebskosten können wir reden. Ich biete der Tempelhof Projekt GmbH an, sie zu 100 Prozent zu übernehmen.

Das Gespräch führten Nicola Kuhn und Birgit Rieger.

ZUR PERSON

Walter Smerling, geboren 1958, ist Vorsitzender der Stiftung für Kunst und Kultur e.V. Bonn und Gründungsdirektor vom Privatmuseum Küppersmühle in Duisburg. 2021 veranstaltete er in den Hangars 2+3 im Flughafen Tempelhof die umstrittene Europa-Ausstellung „Diversity United“. Im Januar eröffnete er in diesen Räumen die „Kunsthalle Berlin“.

Der Berufsverband Bildender Künstler:innen Berlin lädt am 18. 2. zur Diskussion: Die sogenannte „Kunsthalle Berlin“: Was ist hier eigentlich los? u. a. mit den Künstlerinnen Daniela Brahm und Zoe Claire Miller sowie Dramaturg Carl Hegemann (Am Flutgraben 3, 18 Uhr), Anm.: info@bbk-berlin. de; oder per Livestream.

Ist das eine Kunsthalle? Um die Zwischennutzung in den Hangars des ehemaligen Flughafens Berlin-Tempelhof gibt es Zoff. Foto: AFP/John Mcdougall