In den Berliner Rudervereinen ist die Aufregung dieser Tage spürbar. Dass die Temperaturen langsam wieder steigen und der Frühling näher rückt, bedeutet für die Wassersportlerinnen und Wassersportler in der Stadt nämlich auch, dass sie ihren Sport bald wieder richtig betreiben können. „Alle wollen wieder aufs Wasser und sind es langsam leid, auf das Ergometer zu steigen“, weiß Karsten Finger, der bis zu diesem Donnerstag zehn Jahre den Berliner Ruderverband als Präsident anführte.

Am Sonnabend findet am Hohenzollernkanal somit die erste Standortbestimmung dieser Saison statt. Für die sogenannte „Berliner Langstrecke Frühjahr“ haben sich 185 Sportlerinnen und Sportler angemeldet. 17 der insgesamt 58 Berliner Vereine bieten Rudern als Leistungssport an, sie alle sind vertreten. Hinzu kommen die Klubs aus dem Brandenburger Umland.

Wie der Name Langstrecke schon sagt, hat es das Pensum in sich. Bis auf die 13- und 14-jährigen Kinder müssen die Teilnehmenden insgesamt 6000 Meter zwischen der Havelmündung und der Plötzensee-Schleuse zurücklegen. Da das Bootshaus des Landesruderverbandes ziemlich genau auf halber Strecke liegt, müssen die Ruderer zunächst mal drei Kilometer bis zum Start in Angriff nehmen. Die gleiche Distanz wartet nach dem Erreichen des Regattaziels, um wieder zurückzukommen. „Das tut dann schon richtig weh“, sagt Finger.

Das erfordert entsprechende Sicherheitsmaßnahmen. Weil es gerade bei den jüngeren Teilnehmerinnen und Teilnehmern schon mal vorkommt, dass die Kräfte schwinden und die Technik unsauber wird, was im schlechtesten Fall ein Kentern zur Folge hat, braucht es die Unterstützung der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). Finger erklärt: „Jetzt ist das Wasser noch richtig kalt. Wenn jemand ins Wasser fällt, muss er anschließend schnell in Alufolie gewickelt werden.“

Die Mitgliederzahlen sind zuletzt wieder gestiegen

Allzu viele Dramen werden sich aber kaum abspielen, denn bei allen Teilnehmenden gilt, dass sie jede Menge Trainingskilometer vom Ergometerrudern im Winter mitbringen. Und obwohl dieser Sport jedem Einzelnen so viel Durchhaltevermögen und Selbstdisziplin abverlangt, sind die Mitgliederzahlen in den Berliner Vereinen im vergangenen Jahr um rund sechs Prozent gestiegen – was natürlich auch damit zusammenhängt, dass während der Pandemie wegen der fehlenden Trainingsmöglichkeiten etliche Kinder und Studierende der Berliner Universitäten diesem Sport den Rücken gekehrt haben. Etwa 9600 Mitglieder zählt der Verband im Moment.

Wie groß die Ambitionen bei den Rudervereinen sind, zeigt sich auch daran, dass die Athletinnen und Athleten im Juniorenbereich und in der U23-Klasse große Erfolge feiern. Jakob Geyer im Doppelzweier und Aaron Fuchs im Achter mit Steuerfrau gewannen bei der U19-WM 2022 die Goldmedaille, Lilian Albrecht gewann Bronze im Zweier. Tom Gränitz und Alexander Finger gehörten zur Crew des Doppelvierers, der bei der U23-WM auf Platz zwei ruderte. Ayse Gündüz gewann im Leichten Doppelzweier ebenfalls Silber. Annalena Fisch feierte als Steuerfrau mit dem Frauen-Achter Platz drei.

Dass es bei den vergangenen Großevents der Elite trotz starker Auftritte im Nachwuchsbereich wenig Erfolgreiches über die Boote zu berichten gab, liegt für Finger, der sich zudem im Ausschuss Leistungssport engagiert, vor allem daran, „dass der Übergang nicht gut funktioniert“. Die sportliche Führung des Deutschen Ruderverbandes habe zuletzt „kein so glückliches Händchen gehabt“.

Die Sportlerinnen und Sportler, die am Sonnabend durch den Hohenzollernkanal rudern, betrifft das noch nicht direkt. Aber natürlich träumt die eine oder der andere davon, mal zum Kreis der Besten zu gehören. Auch wenn bis dahin noch viele Kilometer zurückgelegt werden müssen.