Wie kamen Sie auf die Idee, ein Portal für Solaranlagen zu gründen?

Nach meiner Promotion im Jahr 2015 hatte ich erst bei einer Unternehmensberatung, dann bei einem Start-up des Energieunternehmens Innogy angefangen. Da war ich dafür zuständig, ein Solarfirmennetzwerk aufzubauen. Damals war es so, dass die Firmen viel Aufwand betrieben haben, um Aufträge zu akquirieren. Sie sind rausgefahren zu Hausbesitzern, waren dann den ganzen Vormittag damit beschäftigt ein Angebot zu erstellen, und haben sehr viel Geld dafür ausgegeben. Die Firmen haben ein großes Interesse, den Vor-Ort-Termin wegzulassen. Das Gleiche bei den Hausbesitzern: Als ich für meine Eltern, die in Nordrhein-Westfalen wohnen, Angebote für eine Solaranlage einholen wollte, habe ich zwei Wochen Urlaub genommen, um Termine zu machen. Und als dann die Angebote kamen, habe ich die Fachbegriffe teilweise nicht verstanden, und viele Angaben ließen sich gar nicht vergleichen.

Es gibt ja etliche Vergleichs- und Anbieterportale für Solaranlagen im Netz – bei einer entsprechenden Google-Suche taucht Selfmade-Energy aber gar nicht auf.

Wir geben kein Geld für Performance-Marketing aus. Wir wollen eine Webseite werden, auf der sich der Nutzer unabhängig über alles informieren kann, was mit der Energiewende zu tun hat, also Solarstrom, E-Autos und Wärmepumpen. Da wollen wir sehr viel Content schaffen, und es dauert sehr lange, bis Google das honoriert. Die Webseite funktioniert schon jetzt sehr gut und wird auch angenommen. Letztes Jahr hatten wir 100 000 Interessenten auf der Seite.

Was kann denn Ihre Webseite, was die anderen nicht können?

Wir zapfen die Solarkataster der Kommunen an, die zeigen, welche Dachflächen für Solarmodule geeignet sind. Außerdem fragen wir genau ab, was den Hausbesitzern wichtig ist, ob sie einen Stromspeicher wünschen oder nicht, welche Module sie bevorzugen. Auch die Firmen geben genau an, welche Komponenten sie verwenden, wie die Garantiebedingungen sind und so weiter. Am Ende kann der Bauherr zwischen zwei und vier konkreten Angeboten wählen, ohne dass es vorher eine Besichtigung gegeben hat. Zur Zeit haben wir 60 Solarfirmen im Pool, da sind viele große Firmen dabei, die können den Aufwand auch ohne Vor-Ort-Termin abschätzen. Dafür, dass sie unkompliziert an passende Aufträge in ihrer Region kommen, zahlen sie uns eine Provision.

Aber viele Firmen erklären inzwischen, sie seien ausgebucht und könnten keine neuen Aufträge annehmen.

Tatsächlich sind die Wartezeiten deutlich länger geworden, aber viele Firmen werden so mit Anfragen zugeschüttet, dass sie schon nicht mehr reagieren. Oder sie schreiben auf ihre Webseite: Bitte sehen Sie von Anfragen ab. Selfmade Energy ist quasi unsere Antwort auf den Fachkräftemangel in der Solarbranche.

Wie geht es denn der Branche zur Zeit. Nutzen die Firmen den Boom für Preissteigerungen?

Ja. Sowohl die Hersteller als auch die Installateure. Es findet aber auch eine Konsolidierung statt. Kleine Firmen verschwinden, werden von größeren übernommen. Es gibt nicht nur einen Fachkräftemangel, sondern auch einen Komponentenmangel in Deutschland durch die gestörten Lieferketten. Die meisten Teile wie Module und Wechselrichter kommen aus Asien, auch dort gibt es krasse Preiserhöhungen. Wenn die Hersteller dort nicht mehr liefern, ist die Energiewende bei uns gestorben. Davon sind wir noch abhängiger als vom russischen Gas. Es sind sehr gut ausgelastete Handwerksfirmen pleite gegangen, weil sie die Komponenten nicht bekommen haben. Große Firmen können Komponenten auch auf Vorrat kaufen und einlagern.

Und wie entwickelt sich Ihr eigenes Start-up in diesem Umfeld?

Die Pandemie war eigentlich ganz gut für uns. Bei uns kann man eine Solaranlage praktisch kontaktlos bestellen. Das Verbraucher-Portal Finanztip hat uns dann getestet und empfiehlt uns seitdem auf seiner Webseite. Das hat uns einen Schub gegeben. Und jetzt leider auch der schreckliche Ukraine-Krieg. Von Februar auf März sind die Nutzerzahlen um 400 Prozent gestiegen. Langfristig möchten wir die erste Anlaufstelle sein für alle Leute, die ihr Haus energieeffizient gestalten wollen.

Sind die Berliner denn noch zurückhaltend beim Solarausbau?

Nein. Wir haben das bundesweite Stammdatenregister ausgewertet, in dem jede Solaranlage registriert wird. Beim bisherigen Wachstum für 2022 ist Berlin auf dem dritten Platz aller Bundesländer, Bayern liegt auf dem letzten Platz. In diesem Jahr gab es bis August schon einen Zuwachs von zwölf Prozent, im gesamten vergangenen Jahr 2021 waren es 19 Prozent. Bei Solaranlagen pro Einwohner ist Berlin im Ranking allerdings weit hinten, was natürlich daran liegt, dass es in Berlin überdurchschnittlich viele Mieter gibt, die sich keine eigene Solaranlage auf ihrem Dach installieren können.

Was wird denn von den Hausbesitzern nachgefragt: Geht es eher um Qualität und möglichst große Anlagen oder möchte man nur so viel Strom erzeugen, wie man selber auch verbrauchen kann?

Wir bieten auch eine unabhängige Solarberatung an, wenn Kunden sich nicht sicher sind, welche Anlage die richtige für sie ist. Der Berater fragt dann: Was ist Ihnen denn wichtig? – Ach, ich will einfach eine günstige Anlage haben, die solide läuft. Aber wenn ein Zahnarzt aus Zehlendorf kommt, der sagt: Meine Frau macht mir die Hölle heiß, wenn ich unser Dach verschandele, das soll möglichst gut aussehen. Dann wird er eher zu Designer-Modulen raten. Viele sind auch traditionell unterwegs und sagen, sie möchten keine asiatischen Hersteller haben, was eigentlich dumm ist, weil 95 Prozent der Komponenten aus Asien kommen, die werden dort mit deutschen Maschinen gefertigt.

Solaranlagen zur Stromproduktion auf dem Dach kosten ab 15 000 Euro, mit Batteriespeicher ab 20 000 Euro. Das ist ja nicht wenig. Springen viele ab, wenn sie die Preise sehen?

Die Deutschen sind durch die Pandemie ja nicht ärmer geworden, im Gegenteil. Viele haben einiges Geld auf dem Konto, das wegen der Inflation langsam dahinschmilzt. Eine Solaranlage amortisiert sich spätestens nach elf, zwölf Jahren, danach spielt sie ein ordentliches Plus ein. Viele Leute packen sich eine große Anlage aufs Dach, weil sie wissen, dass sie künftig eher mehr Strom brauchen, zum Beispiel für ein Elektroauto oder eine Wärmepumpe zum Heizen, und die Preise weiter steigen. Es wundert mich manchmal, wie häufig die sehr teuren Angebote geklickt werden. Wer wenig Geld hat, der schaut nicht bei uns, sondern mietet eine Solaranlage, auch dafür gibt es ja gute Anbieter.

Das Interview führte Thomas Loy.