Gegen das neue Pandemiegesetz werden mindestens zwei Parteien, FDP und Freie Wähler, vor dem Verfassungsgericht klagen. Sie tun dies nicht, weil ihnen das Sterben auf den Intensivstationen gleichgültig ist. Sie tun es, weil es Zweifel daran gibt, ob dieses Gesetz seinem Ziel, Leben zu retten, tatsächlich dient. Solche Zweifel kommen auch von Wissenschaftlern. Sie verweisen darauf, dass es im Freien nur ein geringes Ansteckungsrisiko gibt. In einem geschlossenen Fahrzeug, Inhalt eine Person, gibt es gar keins.

Viele Länder Europas, etwa Italien und Österreich, öffnen vorsichtig, trotz hoher Inzidenz-Zahlen. Sie tun dies nicht, weil dort Killer an der Macht wären. Sie tun es, weil sie die Aussagekraft des Inzidenzwertes, an dem jetzt unser Alltag, unsere Freiheit, die Zukunft der Kinder und viele Existenzen hängen, anders beurteilen als die deutsche Regierung. Gegen deren Maßnahmen haben etwa 50 prominente Schauspielerinnen und Schauspieler mit kurzen, satirischen Filmen im Netz protestiert, darunter Ulrike Folkerts, Ulrich Tukur, Wotan Wilke Möhring, Richy Müller, Jan Josef Liefers und Nadja Uhl.

Dass viele Künstler mit vielem nicht einverstanden sind, war lange Standard, weltweit. Wer heute den Mut hat, sich gegen die Regierung und gegen den mit ihr verbündeten Teil der öffentlichen Meinung zu stellen, erlebt seit Jahren das Gleiche, täglich grüßt das Murmeltier. Solche Leute werden diffamiert, man greift ihre persönliche Integrität an, in diesem Fall mit Worten wie „Schreihälse“, „Unrat“, „eklig“ oder „nicht mehr dicht“, alle aus Medienkommentaren, nicht aus der Dreckschleuder Twitter. „Kritik“ klingt anders. Muss ich erwähnen, woher man diese Tonlage kennt?

Hier sollen Mäuler gestopft werden, es geht darum, einzuschüchtern. Eine Entscheidung, zu der es Alternativen gibt, wird als alternativlos dargestellt. Es wird so getan, als gehörten die Kritiker, die für viele sprechen, zu einer kleinen, radikalen Minderheit. Ihre Positionen werden, wenn überhaupt, nur verzerrt oder höhnisch dargestellt. Selten wird darauf verzichtet, den Dissidenten eine Nähe zu Verschwörungstheorien anzudichten, auch wenn die Äußerungen der Angeklagten dagegensprechen. Dann kommen, reihenweise, Distanzierungen von Schauspielerkollegen, bis die Oppositionellen Wirkung zeigen und sich, einer nach der anderen, von sich selbst distanzieren.

Die „Tagesschau“ wählte für ihre Meldung nicht einen Titel wie „Schauspieler kritisieren Coronapolitik“, das wäre alter Journalismus gewesen, sondern: „Internet-Aktion sorgt für Kritik“. Die Beteiligten, hieß es dort, würden weiter beschäftigt, auf Bewährung vermutlich. Wo bin ich, welches Jahr, welches Land?