Prunkvoll, mit ineinander verschränkten Motiven aus unterschiedlichen Epochen und Kunstgenres sind Margret Eichers wandfüllende Tapisserien bestückt. Sie machen dem Titel der Ausstellung „The Neo Baroque Furor Show“ in der Galerie Michael Janssen alle Ehre. Wie ein Gewitter ergießen sich die vielen Referenzen in den einzelnen Werken über die Betrachter*innen vom Zentrum bis in die kleinste Ornamentik der Bordüren und fordern zur Dechiffrierung auf. Die 1955 in Viersen geborene Künstlerin wird erst seit kurzem von der Galerie vertreten und wird nun mit einer ersten Ausstellung in den neu bezogenen Galerieräumen gewürdigt. Man feiert also Doppelpremiere – wenn auch, Covid 19 geschuldet, zu Beginn unter großen Einschränkungen.

Die 1995 in Köln gegründete Galerie landete, nach einem zweijährigen Intermezzo in Los Angeles, 2007 in Berlin, zuerst in der Nähe des Checkpoint Charlie, dann in der Postdamer Straße. Drei Jahre lang betrieb Janssen auch eine Dependance in Singapur, nun konzentriert er sich auf Berlin, wo die Galerie vor kurzem in eine eine umgebaute Remise im Hinterhof in der Bleibtreustraße eingezogen ist. Margret Eichers Tapisserien wirken wie für diese Räume konfektioniert, die sie mit ihren großen, lichtspendenden Fenstern hervorragend zur Geltung bringen. Erst kürzlich waren Arbeiten von Eicher in Berlin im Haus am Lützowplatz zu sehen, nachdem dieselbe Ausstellung zuvor in der Villa Stuck in München Station gemacht hatte.

Ihre künstlerische Karriere begann Eicher als Malerin und Zeichnerin, bevor sich sich vor über 20 Jahren von dem Medium verabschiedet und den den Pinsel gegen Maus und Tastatur tauschte. Anfänglich knüpfte sie mit ihrer Farbpalette an die verblasste Farbigkeit barocker Gobelins an und nutzte einen entsättigten Farbmodus. Die Spannung zwischen dem historischen Medium und der Gegenwärtigkeit der Themen war so auch formal drastisch. Heute beschränken sich die Tapisserien auf den Kontrast von schwarz und weiß und erinnern damit weit weniger an die barocke Zeit. Ihre kunsthistorisch aufgeladenen Bilder mit reichhaltigen Zitaten aus der Kulturgeschichte bis in das digitale Zeitalter der Popkultur hinein komponiert sie am Computer. Anschließend lässt sie Kompositionen von einer Weberei in Flandern als wandfüllende Tapisserien in der Jacquard-Technik produzieren.

Auffallend viele Frauen in lasziver und selbstbewusster Pose prangen auf den Wandteppichen. Mit „Stadt der Frauen“ (38 000 €) zitiert die Künstlerin Fellinis gleichnamigen Film „La città delle donne" von 1980. Eine Gruppe weiblicher Figuren, die berühmten und starken Frauenrollen nachempfunden und von bekannten Schauspielerinnen verkörpert wurden, ist auf Eichers Wandteppich im typischen Stil des „Playboy“-Kalenders arrangiert. Darunter Cate Blanchett als Elisabeth I., Jane Fonda als Barbarella und Halle Berry als Catwoman. Fellini wurden damals Sexismus und Misogynie vorgeworfen, obwohl er die männliche Sicht auf Frauen zu deouvrieren versuchte. Inzwischen bekennen sich feministische wie emanzipierte Frauen zur Darstellung von Stärke und aufreizender Selbststilisierung. Eicher spielt damit auf das veränderte Rollenverständnis von Frauen an, für die MeToo-Bewegung, Präsentation sexueller Attraktivität und Selbstermächtigung Hand in Hand gehen. Matthias Reichelt

Galerie Michael Janssen, Bleibtreustr. 1; bis 26. Juni Di–Sa 11–18 Uhr

„Stadt der Frauen“ nennt die Künstlerin ihre Tapisserie aus dem Jahr 2016. Foto: Galerie Janssen / VG Bild-Kunst, 2021