Frau Dedreux, Sie schreiben als Bloggerin und Autorin über Ihr Leben mit dem Down-Syndrom. Sie reden auf Tagungen oder vor dem Europaparlament. Eines ihrer wichtigsten Themen ist der Kampf gegen den seit 2012 zugelassenen Bluttest für Schwangere, der mit hoher Wahrscheinlichkeit erkennen kann, ob das Kind im Mutterleib unter anderem Trisomie 21 hat. Es ist keine risikoreichere Fruchtwasseruntersuchung mehr notwendig.

Ja, ich kämpfe gegen den Bluttest auf Downsyndrom. Das ist ein sehr persönliches Thema für mich und mich macht das traurig.

Bisher musste der Bluttest von den Schwangeren selbst bezahlt werden, seit 2022 bezahlen ihn die Krankenkassen. Die Nachfrage soll seitdem laut Hersteller sehr gestiegen sein.

In jedem Fall habe ich da große Angst vor. Weil Fakt ist einfach: Es gibt dann mehr Abtreibungen.

In Dänemark gibt es den kostenlosen Bluttest seit 2004. Seitdem hat die Zahl der mit Down-Syndrom geborenen Kindern stark abgenommen. 95 Prozent der Mütter, bei denen der Bluttest positiv ausfiel, entschieden sich für eine Abtreibung.

Ich finde das gar nicht gut. Wir gehören auf die Welt!

Was würden Sie werdenden Eltern gerne sagen, die überlegen, ob sie den kostenlosen Bluttest machen sollten?

Ich finde es wichtig, dass die Leute wissen: Man muss keine Angst vor uns haben, weil damit fängt es bei vielen mit der Abtreibung schon mal an.

Haben sie Verständnis dafür, dass Menschen Angst haben?

Nein, habe ich nicht.

Wovor, glauben Sie, haben die Menschen Angst?

Dass sie das nicht schaffen, sich nicht trauen. Sie denken, das Down-Syndrom ist schlimm oder so. Ey, aber nee! Es ist nicht schlimm. Das ist eben das Problem an der ganzen Sache.

Manche Menschen mit Trisomie 21 haben Herzprobleme oder andere Begleiterkrankungen.

Ja, aber mein Leben ist doch cool! Hey, wir sind einfach cool drauf. Dann fragt uns doch bitte einfach, was es heißt. Wir haben das Down-Syndrom. Und dann erklären wir das.

Wie erklären Sie das?

Ja, man ist halt ein bisschen anders mit Down-Syndrom. Aber es ist einfach normal, anders zu sein. Jeder ist anders. Man muss uns aber zur Welt bringen, darum geht es ja. Wir haben hier einen Wert. Wir dürfen nicht untergehen.

In Ihrem Buch „Mein Leben ist doch cool. Unsere Welt und was ich dazu zu sagen habe“, schreiben Sie auch über die Ampel-Koalition, Triage oder Afghanistan …

Mir ist wichtig, zu zeigen: Da ist eine Person mit Down-Syndrom, die hat auch eine Meinung und bringt ein Buch raus und das ist gut so. Dass man das einfach mal sieht: Hier kommt eine Person mit Down-Syndrom zu Wort. Wir haben auch was zu sagen! Das wird zu wenig mitgedacht. Wir dürfen ja nicht mal mitreden.

Wo dürfen sie nicht mitreden?

Wenn es um schwierige Themen geht. Es gibt viele Menschen mit Behinderung, die finden Politik cool. Ich finde auch wichtig, über das Klima zu schreiben, dass sich mal was ändert, dass man mal was gegen die Klimakrise macht. Ich finde auch, Deutschland muss der Ukraine mehr helfen. Das ist mir wichtig. Da geht ja viel Krieg ab und die Menschen brauchen mehr Unterstützung von uns. Aber das Ding ist: Wir werden ja noch nicht mal gefragt.

Warum denken Sie, werden Menschen mit Behinderungen nicht in den Diskurs eingebunden?

Es gibt bei uns gegen Menschen mit Down-Syndrom viele Vorurteile. Zum Beispiel: Wir können nicht lesen und schreiben. Aber das stimmt nicht. Ich kann lesen und schreiben. Ich spreche auch ein bisschen Französisch. Englisch auch ein bisschen, das habe ich in der Schule gelernt.

In welchem Momenten merken Sie, dass Sie nicht ernst genommen werden?

Neulich wollte ich zum Impfen gehen und zum Coronatest. Da kommt der Arzt auf mich zu und sagt: „Da ist ja das Kind“ und duzt mich.

Sie sind 24 Jahre alt. Wie reagierten Sie?

Da haue ich auf den Tisch und mache Krach. Ich bin groß und erwachsen, das ist einfach wichtig zu sehen. Einfach duzen geht gar nicht. Das macht man nicht.

Passiert Ihnen sowas öfter?

Schon mehrmals. Mich ärgert, dass sie nicht sehen, da ist ein erwachsener Mensch mit Down-Syndrom. Wir sind ja keine Kleinkinder. So werden wir aber behandelt. Es liegt an der Gesellschaft. Das Problem ist, dass die meisten Inklusion nicht interessiert. Oder sie machen sie nicht gut.

Wie funktioniert denn Inklusion?

Man macht es einfach so, dass alle Menschen zusammen sind. Inklusion ist da, wenn alle teilhaben dürfen. Man muss immer gucken: Können wir Menschen mit Behinderung dabei sein? Mehr selbst bestimmen und so? Doch mehr Mitbestimmung, mehr Teilhabe und Selbstbestimmung, das existiert ja nicht. Deswegen werden so viele Menschen ausgeschlossen. Das ist das Problem.

Was wünschen Sie sich von der Politik?

Ich finde, Politik und Inklusion gehören zusammen. Es ist wichtig, dass Inklusion gezeigt wird und dass man sowas anspricht und dann etwas daraus macht. Aber nicht jede Partei macht das. Es gibt manche Parteien, denen ist das egal.

Welche sind das?

Bei der FDP merkt man das. Ich finde, dass die anderen Leuten nicht gut zuhören oder auch keine leichte Sprache sprechen in der Politik, weil es denen egal ist. Und dann ist da die AfD, die wollen auch nichts Gutes. Die AfD will auch keine Inklusion, sondern die wollen eher Selektion. Und wenn die mal regieren, dann würde für uns Menschen die Welt untergehen. Und besonders für uns Menschen mit Behinderung.

Gibt es auch Parteien, die es besser machen?

Ich kenne die Corinna Rüffer von der Partei Die Grünen, die sich für uns Menschen mit Behinderung stark einsetzt. Und ihr ist auch die Inklusion wichtig ist. Und das finde ich einen sehr guten Anfang. Deswegen finde ich die Grünen gut.

Sind Ihre politische Interessen auch ein Grund, warum Sie Aktivistin geworden sind?

Ja, ich liebe es, Aktivistin zu sein, weil ich kämpfe ja für sehr wichtige Sachen: Dass wir halt existieren. Für mich bedeutet das sehr viel, aktiv zu sein und sehr viel weiterkämpfen und machen. Es ist einfach mega-wichtig, dass man gesehen wird in den Medien. Menschen mit Behinderung gehen da oft unter. Und das Internet ist nicht so ganz barrierefrei. Es gibt kaum leichte Sprache.

Sie setzen sich für leichte Sprache ein. Können Sie kurz erklären, wie die funktioniert?

Manche Menschen mit Behinderungen kommen bei vielen Sachen nicht mit. Komplizierte Wörter kennen wir manchmal nicht. Da ist es wichtig, zu beachten, dass das dann in leichte Sprache übersetzt wird. Oder dass Menschen nicht zu schnell sprechen. Bei den Sätzen ist es so: Es muss kürzer geschrieben und gesprochen werden. Lange Wörter haben einen Bindestrich in der Mitte, damit wir die besser verstehen.

Wo fehlt Ihnen leichte Sprache?

Fast überall. Bei vielen Veranstaltungen wird nicht daran gedacht. Trotzdem ist es wichtig, dass da ein Übersetzer für leichte Sprache ist. Ich möchte mitreden.

Wie informieren Sie sich?

Durch das Internet und meistens auch die Tagesschau. Aber es gibt kaum Informationen in leichter Sprache.

Deshalb hatten Sie auch eine Petition mitunterzeichnet, die fordert, dass es die Tagesschau täglich auch in leichter Sprache geben soll.

Nachrichten müssen leicht sein, nur dann verstehen wir alles. Wir wollen uns auch informieren können. Deswegen helfen da Übersetzer für leichte Sprache.

Die Illustrationen in Ihrem Buch hat der Grafiker Wenzel Rehbach gezeichnet, der Sie auch beim Schreiben unterstützt hat. Wie ist Ihr Buch entstanden?

Wenzel und ich kennen uns vom Ohrenkuss-Magazin. Das ist ein Magazin, bei dem Menschen mit Down-Syndrom schreiben. Wenzel hat da Praktikum gemacht und wir haben uns kennengelernt. Dann wollte ich das Buch schreiben. Das war in der Coronazeit. Wir konnten uns nicht treffen. Ich war in meiner WG und habe im Internet recherchiert mit meiner Arbeitsassistenz. Die Assistenz hilft mir bei der Rechtschreibung und bei Sachen, die ich nicht so gut kann. Dann haben Wenzel und ich uns ganz oft über Zoom getroffen. Ich habe meine Texte diktiert und er hat die dann aufgeschrieben.

Was erhoffen Sie sich von Ihrem Buch?

Dass ich damit gesehen werde, und dass mir mal zugehört wird. Das ist mir extrem wichtig. Hier schreibt eine Person mit Down-Syndrom Texte. Ja, geil, das muss man mal sehen! Wir haben auch was zu sagen.