Berlin - Uber hat in London einen schweren Stand. Immer wieder beschäftigt das US-Unternehmen in der britischen Hauptstadt Gerichte. Am Freitag könnte das Oberste Gericht des Landes der Prozesshistorie ein weiteres Kapitel hinzufügen: Dieses Mal streitet der milliardenschwere Mobilitätsanbieter allerdings nicht mit der um ihre Existenz fürchtenden Taxibranche. Im Zentrum stehen die Arbeitsbedingungen der Uber-Fahrer und -Fahrerinnen. Das Urteil könnte Signalwirkung haben – weit über die Branche hinaus.

Im Kern geht es um die Frage, ob die Uber-Fahrer selbstständig sind, oder ob sie als Angestellte des Unternehmens klassifiziert werden. Uber ist der Auffassung, es handle sich eher um eine lockere Arbeitsbeziehung, die Fahrer verweisen auf eine vertragliche Bindung. Damit einhergehen würden Rechte wie der Anspruch auf bezahlten Urlaub, Mindestlohn und Krankengeld, die den Fahrern bisher verweigert werden.

2016 hatten zwei Londoner-Uber-Fahrer am zuständigen Arbeitsgericht geklagt, Uber legte immer wieder Berufung ein – bis zur obersten Instanz, sagte ein Unternehmenssprecher dem Nachrichtenportal „US-News“. Andere Firmen, wie die Essenslieferdienste Lieferando oder Wolt, verfolgen ein ähnliches Geschäftsmodell, bei dem sie keine festen Verträge mit den Kurierdiensten eingehen, sondern auf Auftragsbasis mit ihnen zusammenarbeiten. Für sie könnte die Entscheidung des Gerichts ebenfalls Konsequenzen haben, auch wenn bis zum Inkrafttreten noch mehrere Monate vergehen dürften.

Großbritannien ist nicht das einzige Land, in dem Uber viel Kritik für seine Arbeitsweise einstecken muss. Klagen dazu gab es weltweit. In den Niederlanden ist die größte Gewerkschaft des Landes vor Gericht gezogen, um Uber zur Einhaltung des Tarifvertrags für den Taxiverkehr zu zwingen.

Die belgische Kommission für die Regulierung der Arbeitsbeziehungen (CAR) hat kürzlich entschieden, dass ein Uber-Fahrer tatsächlich ein Arbeitnehmer ist. In Genf haben die Fahrer der Essenssparte Uber Eats seit September auch einen Arbeitsvertrag. Im Schweizer Kanton ist das Unternehmen nach einem Rechtsstreit verpflichtet, über einen Drittanbieter die Fahrer anzustellen.

Ein ähnliches Modell verfolgt Uber auch für seinen Fahrdienst in Deutschland. Chauffeure, die ihren Service hierzulande unter dem Dach einer App wie Uber oder FreeNow anbieten, sind überwiegend bei einem Mietwagenunternehmen angestellt – und haben damit Anspruch auf eine Sozialversicherung und Mindestlohn. Bereits seit 2015 ist es in Deutschland verboten, über die App „Uber Pop“ Fahrten an Privatfahrer zu vermitteln, vor rund einem Jahr hatte Uber sein Vermittlungsmodell nach einem Gerichtsurteil hierzulande erneut ändern müssen.

Uber-Chef Dara Khosrowshahi forderte Anfang der Woche, die Regeln für seine Arbeitnehmer in Europa nicht weiter zu verschärfen. Laut Khosrowshahi sollten Arbeitnehmer die Flexibilität und Kontrolle darüber haben, wo und wann sie arbeiten wollen, schreibt er in einem Blog-Post. In Kalifornien konnte das US-Unternehmen zuletzt einen Erfolg für sich verbuchen. Dort sprach sich die Mehrheit dafür aus, die Fahrer als Selbstständige zu behandeln.

Er glaube, dass ein neuer Ansatz in Europa möglich sei, so Khosrowshahi. Uber wolle für mehr Schutz und relevante Leistungen aufkommen. Im vergangenen Jahr hatte das Unternehmen in Italien einen Deal ausgehandelt: Bezahlte Freizeit beinhaltet er nicht, sondern deckt die Ausrüstung der Arbeitnehmer und Versicherungen ab.

Der Vorstoß des Uber-Chefs kommt gut eine Woche, bevor sich die EU-Kommission – zunächst in einem Konsultationsprozess mit den Sozialpartnern – mit den Arbeitsbedingungen für Plattformbeschäftigte beschäftigen will. Im Anschluss daran soll ein Gesetzgebungsvorschlag zu fairen Arbeitsbedingungen auf Plattformen erfolgen.

Özlem Alev Demirel sieht in dem Angebot des Uber-Chefs eine „Verhinderungstaktik für eine echte Verbesserung“. Plattformarbeiter:innen seien Arbeiter:innen und müssten sich gewerkschaftlich organisieren, Betriebsräte bilden und Tarifverträge abschließen dürfen, fordert die Linken-Politikerin und Europa-Abgeordnete im Gespräch. Bei ihrem Treffen kommende Woche will die Kommission mit Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern über ein Gesetz zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der „Gig Economy“ diskutieren. Das bestätigte eine Sprecherin der EU-Kommission. Unter anderem soll es um Themen wie prekäre Arbeitsbedingungen, Transparenz und den Zugang zu Sozialversicherung gehen.

„Uber und andere Plattformen sollen endlich selbst Verantwortung übernehmen“, fordert auch die SPD-Europa-Abgeordnete Gabriele Bischoff, „statt ein öffentlichkeitswirksames Weißbuch vorzulegen, das die Verantwortung auf die Gesellschaft und Fahrerinnen und Fahrer abwälzt“. Uber sei im europäischen Arbeitgeberverband „Business Europe“ aktiv und könne sich dort direkt in die Konsultation der Sozialpartner einbringen, so Bischoff.

Bei der geplanten EU-Initiative auf EU-Ebene handle es um „keine Lex-Uber“, stellt Bischoff klar. Vielmehr sollte diese „weit darüber hinausgehen“ und die unterschiedlichen Formen der Plattformarbeit umfassen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat bereits Eckpunkte für ein deutsches Gesetz zur Regulierung der Plattformarbeit vorgelegt.

Für Uber Deutschland werden neue Regelungen zu Arbeitnehmer:innen-Rechten in der Gig Economy aufgrund des schon heute abweichenden Geschäftsmodells ohnehin aber wohl kaum Folgen haben, weil die Beschäftigten hierzulande Sozialversicherung und Mindestlohn bekommen. Daran wird auch das reformierte Personenbeförderungsgesetz nichts ändern, das in den kommenden Wochen verabschiedet werden soll.