Der Schein trügt: Hier hängen keine Aquarelle an den Wänden, sondern Fotografien von Josef Fischnaller, der beweist, dass man mit der Kamera malen kann – wenn auch auf ungewöhnliche Weise. Die Arbeiten von 2021 nennt er F.I.S.H.: Finest Ink, Sensually Handled. Nun sind seine Prints in der Galerie Friedmann-Hahn zu sehen: verschwommene Blütenpracht in leuchtender Palette.

Eine Floristin kauft die Blumen, die Fischnaller dann in Vasen von Berliner Trödelmärkten arrangiert. Pfingstrosen, knallroter Mohn, Disteln, Anemonen, rosa Nelken, gelber Ginster in Gläsern und braunen oder apart gemusterten Papiertüten vor farbigem Grund. Doch auf den Fotodrucken zerfließen die Bouquets, manche dem Verwelken nahe, zu eher konturlosen Gebilden, und die natürlichen Farben der Pflanzen schillern wie in der psychedelischen Kunst in intensiven, grellen Tönen. Das Zerlaufen und Zerrinnen der Farben und Formen innerhalb des Motivs und über den Druckrand hinaus signalisiert für Fischnaller das Fließen der Zeit. Alles ist vergänglich: der Mensch, die Pflanzen wie die Kunst selbst. Darin ähneln die F.I.S.H.-Prints den Stillleben alter Meister, von denen Fischnaller die flämischen Barockkünstler bevorzugt. Deren opulente Blumenbilder hat er bereits in seiner „Flower“-Serie fotografisch neu inszeniert und mithilfe ironischer Versatzstücke wie Federbällen, Champagnerkorken oder Miniaturhubschraubern statt der ikonografisch obligaten schwirrenden Insekten, die ebenfalls als Vanitas-Symbole fungieren. Nun erscheinen die Blüten in völlig neuem Gewand, und ihre genaue Bestimmung kann vielleicht ein geschulter Botaniker leisten. Fischnallers jüngste Blumenbilder können jedoch ebenso erotisch interpretiert werden. Schließlich vollzieht sich eine Art von Vereinigung bei der Blütenbestäubung durch die Tierwelt, und die Sprache der Blumen, über die bereits die antiken Philosophen sinnierten, kennt diverse Symbole für menschliche Gefühls- und Erregungszustände. Die Rose ist seit jeher Zeichen brennender Liebe, die Distel steht eher für stachelige Protagonisten, während die Anemone den Abschied bedeutet.

Über das genaue technische Prozedere seiner neuen Fotografien schweigt Fischnaller. Er garantiert aber, dass sie digital und ohne Photoshop entstanden sind und setzt auf das raffinierte Können eines Profis, der nicht nur das Auge des Betrachters verführen, sondern auch dessen Wahrnehmung schärfen will, indem er mit Sehgewohnheiten satirisch bricht (Preise: 4900–16 000 €). Josef Fischnaller, geboren 1964 in Oberösterreich, absolvierte eine Ausbildung zum Fotografen in Wien und zog 2000 nach Berlin, wo er 2007 sein eigenes Atelier gründete. Im ersten Corona-Lockdown fand seine Soloschau in der Galerie ohne Publikum statt. Damals zeigte Fischnaller, wofür er international bekannt ist: seine nach berühmten Gemälden inszenierten Fotografien, bei denen er als Modelle nicht nur die eigene Familie, sondern auch Prominente sowie sich selbst theatralisch in handgefertigten Kostümen oder halbnackt posieren lässt und die Neuzeit höchst süffisant durch moderne Requisiten und zeitgenössische Hintergründe einblendet. Angelika Leitzke

Galerie Friedmann-Hahn. Wielandstr. 14; bis 16. 7., Di–Fr 12–19 Uhr, Sa 12–16 Uhr