Es liegt ja am Berliner Untergrund, dass die U-Bahn-Stationen der Stadt meist keine Paläste sind. Das Erdreich ist sandig und das Grundwasser steht hoch. Da lassen sich nicht einfach riesige Hallen hineinsprengen wie anderswo. Viele Stationen sind also eher flach und oft erstaunlich schmucklos. Da kann man schon froh sein, an einer Station wie „Breitenbachplatz“ auszusteigen. Hier ist trotz des Krieges viel erhalten geblieben, schmückende Keramik, schimmerndes Holz, schöne Leuchten. Dazu eine Kassettendecke, die von dorischen Säulen getragen wird.

Die Gediegenheit des 1913 eröffneten Bauwerks offenbart sich noch mehr im Kontrast, wenn man an die Oberfläche tritt. Hier dominiert seit 1980 eine massive Autobahnbrücke den Platz. „Fly-over“ nannte man diese Straßenrampen, ein leichtgewichtiges Wort für brutalen Beton.

An den Breitenbachplatz im bürgerlichen Südwesten verschlug es mich Anfang der 90er Jahre. Mein Freund war in die dortige Künstlerkolonie gezogen, in den 20ern gegründet, um moderne, bezahlbare Wohnungen für Künstler und Schriftsteller zu schaffen. Ich kam aus meiner WG in Neukölln angefahren, das damals noch steingrau und für den internationalen Tourismus uninteressant war. Meine Wohnung lag in einer Einflugschneise, denn das Tempelhofer Feld war noch kein Park. Am Breitenbachplatz war ich überrascht von der Freundlichkeit der Leute im Supermarkt. In der nahen Schloßstraße gab es eine Filiale der Musikkaufhauskette WOM, wo ich Musik hörte und CDs kaufte. Gern ging ich auch zu Häagen-Dasz. Es gab noch nicht an jeder Ecke der Stadt eine Mall.

Im Rückblick bilde ich mir ein, dass die Gegend um den Breitenbachplatz mir dabei half, in Berlin und im Leben anzukommen. Unsere direkte Nachbarin, eine hochbetagte Dame, war noch bei der Ufa gewesen und hatte Marlene Dietrich gekannt. Sie trauerte, als die Diva 1992 auf dem Friedhof Stubenrauchstraße, unweit der Künstlerkolonie, beerdigt wurde.

Bald darauf zogen wir nach Prenzlauer Berg. Dort gab es damals noch reichlich Einschusslöcher in den Fassaden und viele leer stehende Läden. Das änderte sich schnell, und wir waren froh, dass aus der Nazi-Fußballkneipe ein Studentencafé wurde. Wir genossen den Wandel. Bis es zu viel wurde mit der Gentrifizierung, die wir selbst mit vorangetrieben hatten. Doch das ist eine andere Geschichte.Hans-Hermann Kotte

Station: Breitenbachplatz

Linien: U-Bahn U3, Bus 101, 248, 282

Nachbarhaltestelle: Rüdesheimer Platz

Fahrzeit bis Alexanderplatz: 35 Minuten mit einmal Umsteigen