Vor wenigen Wochen hat Portugal Hilfe zum Suizid erlaubt, als fünftes Land der EU.. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat vor drei Jahren entschieden, dass Menschen sich nicht nur das Leben, sondern dafür auch die Hilfe anderer in Anspruch nehmen dürfen. Dennoch bleiben Sterbehilfe und assistierter Suizid in Deutschland, das sich seiner NS-Vergangenheit wegen besonders schwer tut, ein heikles Thema.

Aber eben nicht nicht nur hierzulande: Gesellschaften überall in der Welt haben Probleme damit, den freiwiligen Abschied vom Leben zu unterstützen. Gegen den berechtigten Wunsch, das eigene Leben selbstbestimmt zu beenden, steht die Möglichkeit des Missbrauchs durch die, die ihnen das möglich machen.

Es gibt die Sorge, Verwandte könnten sich vor der Zeit einer Erbschaft bemächtigen wollen oder sich eines Familienmitglieds entledigen, das einen anstrengt, weil er oder sie Pflege braucht.

All diese Überlegungen werden ins Feld geführt, wo über Sterbehilfe debattiert wird. Neben religiösen Überzeugungen, die das Lebensende zu Gottes Angelegenheit erklären, sind sie der Grund, warumlediglich eine Handvoll Länder, übrigens unterschiedlichster religiöser oder säkularer Tradition, Sterbehilfe bisher ausdrücklich erlauben:

Das sind die Benelux-Staaten, Kolumbien, Kanada, Neuseeland, seit 2021 Spanien und jetzt Portugal. Und auch deren Ja fällt teils vorsichtig aus und ist an viele Bedingungen geknüpft. So gilt etwa Portugals Gesetz, das erst in diesem Monat verabschiedet wurde, nur für Menschen, die anhaltend unerträgliche Schmerzen haben und geistig in der Lage sind, diese Entscheidung zu treffen. Ein Blick auf drei Länder in Europa, die mit dem Thema sehr unterschiedlich umgehen.

Niederlande: Selbstbestimmung

Die Tötung auf Verlangen ist in den Niederlanden längst kein Tabu mehr. Als in den frühen 70er Jahren ein Arzt wegen freiwilliger Sterbehilfe zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden ist, begann erstmals eine breite Diskussion im Land. Doch erst drei Jahrzehnte später liberalisierte die damalige Regierung die Gesetzeslage.

Wer lebensmüde ist, kann seit 2002 mit dem „Gesetz zur Kontrolle der Lebensbeendigung auf Verlangen und Hilfe bei der Selbsttötung“ sein Leiden auch mit ärztlicher Hilfe beenden. Straffrei bleiben Mediziner:innen aber nur dann, wenn sie bestimmte Richtlinien erfüllen – so müssen die Patient:innen unter anderem unerträglich leiden und den Todeswunsch mehrmals geäußert haben. Dem Jahresbericht der niederländischen Kontrollkommission für Sterbehilfe zufolge wurden 2021 7666 solcher Fälle gemeldet, über zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Die Betroffenen sind meist unheilbar an Krebs erkrankt, über 80 Prozent beenden ihr Leben zu Hause.

Die Regierung in Amsterdam will das Gesetz nun ausweiten. Im April brachte sie ein Gesetz auf den Weg, das Sterbehilfe auch für jüngere Kinder ermöglichen soll. Bereits jetzt können Menschen ab zwölf Jahren ihr Leben mit Zustimmung der Eltern freiwillig beenden. Noch in diesem Jahr soll die Änderung in Kraft treten.

Schweiz: Seit 70 Jahren straffrei

Die Schweiz hat, wie viele andere Länder, bereits Anfang des 20. Jahrhunderts den Selbstmord entkriminalisiert. Anders als anderswo ist aber seit 1942 auch niemand mehr mit Strafe bedroht, der dabei hilft. Im Artikel 115 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs ist seither Hilfe zur Selbsttötung nur noch „aus selbstsüchtigen Motiven” verboten – also wenn man ans Erbe Lebensmüder kommen oder sie loswerden will. Ebenfalls eine schweizerische Besonderheit: All das gilt auch für Ausländer:innen. Was dazu geführt hat, dass die Schweiz wichtigstes Ziel von Menschen aus aller Welt wurde, die sterben wollen, dafür aber Hilfe brauchen, was in ihren Heimatländern jedoch verboten ist. Mehrere Organisationen wie „Exit“, die erste, die heute bekanntere „Dignitas“ oder „Life Circle“ bieten „Sterbebegleitung“ an.

Obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mehr gesetzliche Regelung forderte, verzichtete Bern darauf. Zuvor waren in Zürich zwei Referenden deutlich gescheitert, die weniger Suizidbeihilfe und „Sterbetourismus“ wollten. Man fürchtete offenbar durch mehr Regulierung eine Einschränkung der jahrzehntealten Praxis. Eine Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer befürwortet sie. Die Schweizer Regierung wollte zudem vermeiden, dass organisierter Suizidhilfe mit kleinteiligen Vorschriften sozusagen ein staatliches Gütesiegel aufgeklebt würde.

Polen: Zwang zum Leben

Im katholischen Polen ist Sterbehilfe – aktiv wie passiv – grundsätzlich verboten, europaweit hat das Land eines der restriktivsten Gesetze. Beihilfe zum Suizid oder „Mord auf eigenen Wunsch“ werden mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft. Eine breite öffentliche Debatte gibt es kaum, oftmals wird Sterbehilfe zusammen mit Abtreibungen – ebenfalls streng verboten – diskutiert. Beides gilt in Warschau als vorsätzlicher Mord.

Einer aktuellen Studie der Maria-Curie-Skłodowska-Universität in Lublin zufolge sind dennoch knapp ein Fünftel der Medizinstudent:innen der Tötung auf Verlangen grundsätzlich positiv eingestellt, jede:r vierte Berufsanfänger:in spricht sich sogar für eine allgemeine Legalisierung von Sterbehilfe im Land aus. Die Einstellung hängt dabei maßgeblich von der Religiosität der Befragten ab: Gläubige Studierende lehnen Sterbehilfe grundsätzlich ab, bei den Atheist:innen befürworten dagegen fast die Hälfte der Befragten das Recht auf einen selbstbestimmten Tod.