Wenn in diesen Jahren in Sachen Wohnungsbau in der Metropolregion Berlin nicht gekleckert, sondern geklotzt wird, dann ist das am nördlichen Berliner Stadtrand zu beobachten: Die Stadt Bernau hat in ihrer Sitzung am 6. Mai 2021 die erneute öffentliche Auslegung des Bebauungsplanentwurfes „Wohngebiet westlich der Schwanebecker Chaussee (ehemaliges Heeresbekleidungshauptamt)“ beschlossen. Damit wird – nach dem „Pankebogen“, auch ein Kasernenumbau in Bernau – ein weiteres Großprojekt auf den Weg gebracht. Von maximal 2000 Wohneinheiten spricht der Investor. Die für die Öffentlichkeit sichtbaren Planungen laufen seit 2017 – im Juli jenen Jahres wurden die ersten Varianten zum Vorentwurf im Rathaus ausgestellt.

„Das B-Plan-Verfahren soll durch Satzungsbeschluss Ende Oktober weitestgehend zuende geführt werden“, sagt auf Anfrage Gerald Breschke, Geschäftsführer der Nordland GmbH (Langenhagen), dem die Konversionsfläche mit dem ehemaligen Heeresbekleidungshauptamt gehört. Das Gebiet liegt westlich der Schwanebecker Chaussee zirka einen Kilometer südwestlich des Bernauer Stadtkerns und umfasst zirka vierzig Hektar. Es wird eine Stadt an der Stadt, die über S-, Regional- und Autobahn bestens an Berlin angeschlossen ist. Im Norden verläuft die Bahntrasse Berlin–Stralsund, im Osten zur Schwanebecker Chaussee die Landstraße L 200 und im Westen liegt der Anschluss zur Autobahn 11.

Der Abschluss des Bebauungsplanverfahrens ist „der wesentliche Schritt ehe über eine Vermarktung nachgedacht werden kann“, sagt Breschke, der umsichtig alle kommenden Schritte parallel geht. Drei Architekturbüros arbeiten schon einmal an Bauanträgen, damit es gleich nach der Aufstellung des B-Plans losgehen kann. Es sind dies: cksa Christoph Kohl Stadtplaner Architekten GmbH (Berlin), Architekturbüro Uwe Thal (Magdeburg) und die AI Studio GmbH (Magdeburg).

Einen Werbefilm über das neue Quartier, das unter dem Projektname:n „WeTown – die Gartenstadt in Bernau“ läuft, gibt es auch. Von zirka 81 Neubauten ist die Rede und von vier historischen Gebäuden. „Begrünte Dächer lassen die Bewohner aufatmen“, verspricht die Nordland GmbH, die sieben Gewerbegebäude für die Nahversorgung vorgesehen hat. „Autos sollen draußen bleiben“, heißt es. Für sie gibt es Platz in Tiefgaragen und auf eigens gekennzeichneten Stellflächen. Neben elektrischen Ladestationen soll es eine Wasserstofftankstelle geben – das gesamte Quartier steht „ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit: regenerativ, komplett autark, völlig ohne Schadstoffausstoß“. Breschke sieht sein Quartier als „Vorreiter eines weltweit einzigartigen Energiekonzepts“. Alle Gebäude sollen im Niedrigstenergiestandard gebaut werden: KFW 40 plus bei den Neubauten, KFW 70 bei den Denkmälern. „Regenwasser wird zu 100 Prozent auf der Liegenschaft versickert“, so die Projektskizze. Zwei Kitas, eine Turnhalle, eine Grundschule und einen Sportplatz bekommen die Stadtväter obendrauf – sie „werden kostenlos an die Stadt Bernau übergeben“.

Wird die Nordland hier alles alleine machen? „Wir haben auch schon Neubauten realisiert, auch in unserer ersten Liegenschaft Schönfelder Weg entsteht gerade ein großer Neubau, den wir dort noch nachträglich als Bauantragsverfahren nachgereicht haben“, sagt Breschke. Hier hatte er im und am Nebenlager des Heeresbekleidungshauptamtes etwa 600 neue Wohnungen geschaffen bzw. in Kasernen eingebaut. Breschkes Unternehmen ist auf die Sanierung und den Ausbau von Kasernenanlagen für Wohnzwecke spezialisiert. „Wir haben in der Vergangenheit fast immer alles selber entwickelt“, sagt Breschke: „Es sei denn, es hat in der Entwicklung gute Gründe gegeben, Substanz abzuverkaufen. Auch bei dieser Liegenschaft versuchen wir erst einmal selber abzuwickeln, aber wir sind in einigen Themen auch keine Spezialisten.“ So soll der direkt an der Schwanebecker Chaussee gelegene Gewerbestreifen „voraussichtlich komplett ohne Bebauung“ weiterveräußert werden. „Wir müssen auch innerhalb des Gebietes nicht störendes Gewerbe entwickeln, in nicht unerheblicher Größe. Auch dieses werden wir höchstwahrscheinlich veräußern“, sagt der Nordland-Chef. Inwieweit Wohnbaufelder veräußert werden, „darüber gibt es überhaupt noch keine Entscheidungen und keine Meinungsbildung“. Folglich gibt es hier auch keine aktiven Verkaufsverhandlungen, betont Breschke. Die drei Architekturbüros seien beauftragt worden, um die Entwicklungszeit der Liegenschaft zu verkürzen.

Christoph Kohl von cksa christoph kohl stadtplaner architekten („Wir können Stadtquartier“) sagt auf Anfrage zum Reiz der Aufgabe: „Kasernen sind per se keine Quartiere – mitunter haben sie auch etwas Bedrohliches. Das mag für Lost Places gut taugen, aber um dort zuhause sein zu wollen, gilt es neue Heimaten zu schaffen.“

Zunächst gilt es aber, auf dem Gelände Bedrohliches zu entfernen. Auf einer Fläche von 12 000 Quadratmetern im südlichen Teil liegen Tanks und Betonfundamente zwei bis drei Meter tief in der Erde, über „Mineralöle und auch Kampfmittel“ berichtete die Märkische Oderzeitung bereits im März 2020. Im nordwestlichen Bereich seien auf einer Fläche von 9000 Quadratmeter Müll und Abfall vergraben, zum Teil Hinterlassenschaften der sowjetischen Armee, die den Komplex nach dem Krieg als Nachschub- und Versorgungsdepot nutzte.

Erbaut wurde die Kasernenanlage von der Wehrmacht (1939 bis 1942 und zwischen 1941 und 1945 ). Sie diente zur Lagerung von Uniformen und Ausstattungsgegenständen. „Mich interessiert das Phänomen Kasernen“, sagt Architekt und Stadtplaner Kohl, „weil das in der Regel sehr, sehr große Gebiete sind, die aufgrund ihrer militärischen Typologie unternutzt sind.“ Deshalb seien sie sehr gut für die Nachverdichtung geeignet – zumal sie aus Backstein gebaut seien. Weil sie zudem denkmalgeschützt seien, habe man einen Garant dafür in der Hand, an dieser Stelle lebenswerte Quartiere zu schaffen. Erstmals würden in Brandenburg im Quartier „WeTown“ Typenbauten für den Neubau entwickelt. Die Grundideen des Bebauungsplans und die denkmalgerechte Weiterentwicklung des Bestands würden von den Architekten in Magdeburg verfolgt.

Die erneute öffentliche – und verkürzte – Auslegung der Pläne war notwendig geworden, weil zusätzliche Lärm- und Immissionsschutzfragen während der Bauarbeiten zu klären sind. Auch geht es noch um die „Festsetzung einer privaten Grünfläche statt eines Abwasserpumpwerks im Süden des Plangebietes“. Gewünscht sind zudem „zusätzliche Artenschutzmaßnahmen zur Kompensation der Planwege 8 und 9 im Wald (nur bestimmte Beleuchtung, zusätzliche Nistkästen)“.

Weitere Informationen sind im Internet unter www.bernau.de › Bürgerportal › Rathaus › Planen & Bauen › Stadtplanung › Beteiligung der Öffentlichkeit, im Geoportal Bernau unter https://www.geoportal-bernau.de/auslegungen.php sowie über das Zentrale Landesportal unter http://bauleitplanung.brandenburg.de abrufbar.Bebauungsplanentwurf“ abrufbar.

Christoph Kohl. Foto: Patrick Pagel