Der Imkerverein Berlin-Zehlendorf ist eine ehrwürdige Institution: Dieses Jahr feiert er seinen 100. Geburtstag. Wann genau der Verein im Jahr 1921 gegründet wurde, weiß auch die Vorsitzende Bettina Junkes, 56, nicht. Wo sich die Dahlemerin aber sicher ist: Das Jubiläum soll trotz Corona gefeiert werden.

Frau Junkes, wie viele Bienen nennen Sie ihr Eigen?

Ich habe zwei Bienenstände, einen direkt im Garten an unserem Wohnhaus und einen auf dem Dach der FU-Mensa II. Dort kann ich auch einen Teil des Honigs anbieten. Die Zahl der Völker schwankt im Laufe des Jahres, dieses Jahr konnte ich zwölf Völker auswintern. Die Zahl der Bienen ist abhängig von der Jahreszeit. Jetzt im Frühjahr sind zwischen 10 000 und 20 000 Bienen in einem Volk. Die Zahl der Winterbienen nimmt noch ab und das Brutgeschehen nimmt seit Januar langsam an Fahrt auf. Anfang April sollten dann 30 000 oder mehr Bienen im Volk sein, damit sie die erste Frühtracht auch sammeln können – wenn das Wetter mitspielt. Wir hatten schon mal am 10. April die ersten Schwärme in Berlin. Im Sommer sind dann in meinen besten Völkern 40 000 bis 50 000 Bienen. Eine wahre Freude, dieses pure Leben und Gewimmel, ich freue mich schon drauf.

Wie viele Imker gibt es im Bezirk?

Etwa 500. Damit ist die Imkerdichte im Berliner Vergleich hier wohl am höchsten. Laut Deutschem Imkerbund halten 96 Prozent der Imker zwischen 0 und 25 Völker. Diese Breite lässt sich auch in Zehlendorf abbilden. Bei uns im Verein sind 154 Imker organisiert und die halten ungefähr 750 Bienenvölker, also im Schnitt 4,8 Völker.

Die Anzahl der Insekten nahm in den letzten Jahren rapide ab: Machen Sie und Ihre Kollegen mit den Zuchtbienen da einen Unterschied?

Die Imker konzentrieren sich auf die Honigbiene, die gilt nach dem Tierseuchengesetz als Haustier, und die meisten Imker wollen mit ihr Honig produzieren. Damit sorgen sie dafür, dass die Honigbiene nicht bedroht ist als Art. Anders sieht das für viele Wildbienen, Hornissen und andere Insektenarten aus. Sie finden immer weniger Lebensräume und Nahrungsangebote. Nicht nur in der Stadt nimmt die Umwandlung der Naturflächen stetig zu. Pflanzenschutzmittel und Dünger ergänzen die Gefahren für Wildbienen und andere Insekten. Imker haben natürlich einen besonderen Blick auf das Geschehen.

Was trägt Ihr Imkerverein konkret bei?

Wir beteiligen uns an der Stadtbaum-Kampagne, unterstützen Initiativen und Stiftungen wie „Berlin Summt“ und „Aurelia“. Ich selbst arbeite auch in der Hymenopterengruppe des NABU mit. Wir versuchen, die besonders geschützten und bedrohten Arten der Hautflügler zu bewahren. Es ist viel Öffentlichkeitsarbeit nötig, und ohne Corona wäre unser Verein auch dieses Jahr wieder auf vielen Veranstaltungen mit Ständen vertreten. Und natürlich kann man in fast allen Imkergärten auch Nistmöglichkeiten für Insekten finden. Das muss nicht unbedingt ein Insektenhotel aus dem Baumarkt sein, die sind oft ungeeignet.

Wie wichtig sind Bienen und andere Bestäuber für die Natur und die biologische Vielfalt?

In erster Linie sind da die Bestäubungsleistungen der Insekten zu sehen, die machen einen Wert von 3,8 Milliarden Euro in Deutschland aus. Die Honigbienen und die Wildbienen ergänzen sich bei der Bestäubung von Wild- und Kulturpflanzen, aber die Honigbiene übernimmt etwa drei Viertel der Bestäubung der Obstkulturen von allen Insekten. Die Honigbiene bleibt damit die wichtigste Bestäuberin unter den Insekten, besonders bei den Kulturpflanzen.

Man hört immer nur davon, dass Bienen Blüten bestäuben und Honig produzieren. Für welche Tiere sind Bienen denn die Hauptnahrungsquelle?

Für andere Insekten, vor allem Wespen und Hornissen, aber auch für Vögel und Mäuse. Vielleicht auch andere kleine Nagetiere. Spitzmäuse beißen als Insektenfresser den Kopf der Bienen ab und saugen dann den Körper aus. Andere Mäuse fressen Pollen und Bienen. Wenn eine Maus im Winter ihr Quartier in einem Volk gefunden hat, ist sie glücklich. Ein Bienenvolk produziert im Jahr 15 bis 25 Kilogramm Biomasse, das ist ein nicht zu unterschätzender Beitrag an Futter für andere Tiere und Pflanzen. Das entspricht 150 000 bis 200 000 Bienen, denn so viele Eier legt eine Königin in einem Volk im Jahr.

Da muss ich nachhaken: Mäuse klettern in die Bienenkästen? Wie gefährlich ist das für eine Maus?

Wenn man nicht rechtzeitig im Herbst ein Mäuseschutzgitter angebracht hat, gehen die Mäuse durch das Flugloch in die Beute und nisten sich unter den Waben ein. Die Bienen merken das nicht unbedingt; wenn es kalt ist, sitzen sie in der Wintertraube. Die Maus kann sich also ungestört immer mal wieder ein paar Bienen von der Wintertraube picken. Wenn es noch warm ist oder es vielleicht zwischendrin warm wird, so dass sich die Traube noch einmal auflöst, kann es sein, dass die Bienen die Maus bemerken. Dann wird die Maus getötet und mit gesammeltem Kittharz einbalsamiert. So halten die Bienen ihre Wohnung „sauber“, sie können die Maus ja nicht hinaus tragen.

Ihr Verein ist der Imkerverein Berlin-Zehlendorf und Umgebung, den Imkerverein Steglitz gibt es erst seit 2005. Wie ist da die Geschichte, gibt es zwischen beiden Vereinen eine Verbindung?

Ursprünglich haben 16 Mitglieder vom Teltower Verein 1921 den Zehlendorfer Verein gegründet. Später, 1936, kam es nach einer weiteren Teilung des Teltower Vereins zu einer Umbenennung in Lichterfelder Verein. Die Teltower wollten damals nicht so weit zu den Versammlungen am Kranoldplatz fahren. Der Steglitzer Verein ist dann 2005 aus dem Lichterfelder Imkerverein hervorgegangen – innerhalb des Lichterfelder Imkervereins gab es Meinungsverschiedenheit, wie das manchmal so vorkommt, Imker sind manchmal skurrile Typen. Heute haben wir im Bezirk Steglitz-Zehlendorf drei Imkervereine. Zwei davon gehören dem Berliner Landesverband an, der Steglitzer Verein gehört nicht dazu.

Und wie ist aktuell das Verhältnis zu den „manchmal skurrilen Typen“ in Steglitz?

Viele Imker vom Steglitzer Imkerverein sind noch Mitglied in anderen Vereinen, denn der Steglitzer Verein bietet keine Versicherung für die Imker an. Wenn man bei uns Mitglied ist, ist man Rechtsschutz-, Unfall- und Haftpflichtversichert. Das war auch schon so manches mal hilfreich. Unsere Vereine machen sehr viel PR, versuchen die Öffentlichkeit zu informieren über die Imkerei, Bienen und Wildbienen. So treffen wir uns bei solchen Veranstaltungen. Und ich war auch schon zu Vorträgen bei den Steglitzern.

Corona erlaubt erst einmal keine großen Partys. Wie werden Sie denn den Vereinsgeburtstag feiern?

Wir hatten viele Pläne und sind letztlich, wie viele andere Veranstalter, auf den virtuellen Modus umgestiegen. Wir erreichen damit immerhin etwa ein Fünftel unserer Mitglieder. Die Bandbreite bezüglich der Technik ist recht groß bei den Imkern: Während die einen ihre Stockwaagen elektronisch mit der Handy-App auslesen, gibt es noch ein paar Imker ohne E-Mail-Adresse. Die informieren wir dann telefonisch, wenn es etwas Wichtiges gibt. Die Auftaktveranstaltung, die für März geplant war, mussten wir erst einmal verschieben. Im Museumsdorf Düppel wollen wir unser Sommerfest feiern, da glaube ich noch ganz fest dran. Wir veranstalten einen Fotowettbewerb, haben unsere Chronik aufgearbeitet und versuchen, durch verschiedene Baumpflanzaktionen dem Erbe unserer Großväter nachzueifern. Die haben Tausende von Bäumen gepflanzt in Berlin, wir verdanken ihnen unsere heutigen guten Trachtverhältnisse in Berlin.

Bitte wagen Sie eine Prognose: Wie wird das Honigjahr 2021 werden?

Das ist echt schwierig, weil das vom Wetter abhängig ist. Ich bin immer optimistisch und denke, das Jahr wird überdurchschnittlich gut. Sonst machen ja die ganzen Vorbereitungsarbeiten im Winter keinen Spaß …

Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Dann schreiben Sie uns. Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge, bitte per E-Mail an: boris.buchholz@tagesspiegel.de.