Eine schulische Heimat wollen Kreuzberg und Steglitz Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine bieten. Am Mittwoch wurden die bundesweit ersten Deutsch-Ukrainischen Begegnungsschulen mit insgesamt sechs Klassen eröffnet. Die beiden Schulen entwickeln sich aus den dort bereits vorhandenen Willkommensklassen und sollen auch Fächer auf Ukrainisch unterrichten sowie ukrainische Abschlüsse anbieten. So sieht es das Konzept der Senatsverwaltung für Bildung vor. Zum Auftakt würdigte der ukrainische Botschaftsrat Maksym Yemelianov das Modellprojekt. Er hoffe, dass die „großartige Initiative“ von anderen Bundesländern und international aufgegriffen werde.

Der Botschaftrat sowie Berlins Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) waren in die Kreuzberger Aziz-Nesin-Schule gekommen, die im Vorjahr zwei ukrainische Willkommensklassen aufgenommen hatte. Die Grundschule gehört zu den wenigen Berliner Schulen, die noch über freie Räume verfügen. Der Raumüberschuss hat damit zu tun, das die Aziz-Nesin-Schule nicht genügend Nachfrage als Deutsch-Türkische Europaschule hat. Da dieses Problem offenbar zeitnah nicht zu lösen ist, bot sich die Schule als Standort der Deutsch-Ukrainischen Begegnungsschule an.

Diese Lösung hat den Vorteil, dass sich auf demselben Gelände die Carl-von-Ossietzky-Gemeinschaftsschule befindet, die ebenfalls ukrainische Willkommensklassen hat. Die Kinder könnten somit nach der sechsten Klasse aus der Aziz-Nesin- in die Ossietzky-Schule übergehen. Es ist allerdings noch nicht entschieden, ob die Carl-von-Ossietzky-Schule ebenfalls Deutsch-Ukrainische Begegnungsschule wird oder es bei wenigen Willkommensklassen belässt. Schulleiter Volker Dahms sagte am Rande der Feierstunde, dies solle die Schulkonferenz im Januar entscheiden.

Andernorts gibt es bereits eine Deutsch-Ukrainische Begegnungsschule für ältere Schüler, angedockt an der Steglitzer Helene-Lange-Schule. Deren Schulleiter war am Mittwoch ebenfalls nach Kreuzberg gekommen und berichtete, dass er für seine vier Begegnungsklassen drei ukrainische und drei deutsche Lehrkräfte einstellen konnte. Insgesamt wurden berlinweit bislang mit knapp 80 ukrainischen Lehrkräfte Verträge abgeschlossen, heißt es seitens der Bildungsverwaltung. Unklar blieb am Mittwoch, wie viele ukrainische Kinder und Jugendliche aktuell auf einen Schulplatz warten. Die CDU-Fraktion hatte am Wochenende von über 10.000 Geflüchteten im schulpflichtigen Alter gesprochen, somit 3000 mehr als bislang in Schulen aufgenommen wurden.

Die Zahl von über 10.000 Schulpflichtigen aus der Ukraine konnte die Bildungsverwaltung nicht bestätigen. Senatorin Busse erinnerte aber daran, dass es für Kinder ohne Schulplatz das Übergangsprogramm „Fit für die Schule“ gebe. Wie berichtet, haben aber freie Träger große Probleme genügend Betreuer für diese Angebote zu finden.

Noch ist nicht restlos geklärt, wie der Stundenplan an den Begegnungsschule aussehen soll. Das Konzept soll jetzt zusammen mit der ukrainischen Botschaft aus der schulischen Praxis heraus entwickelt werden. Erst im kommenden Sommer startet dann offiziell der Modellversuch „Begegnungsschule“. Dessen jetzige Vorbereitungsphase besteht aus zwei jahrgangsgemischten jüngeren Klassen an der Aziz-Nesin-Schule sowie aus zwei siebten, einer achten und einer gemischten Klasse für die Jahrgänge 9 und 10 an der Helene-Lange-Schule. Geplant ist, das Modellprojekt auszuweiten.

Ein Schwerpunkt ist der Deutschunterricht, gekoppelt mit Fächern wie Geschichte und Recht auf Ukrainisch sowie ukrainischer Sprache und Literatur. Dazu sollen auch Materialien von ukrainischen Lernplattformen genutzt werden. Die Idee einer Deutsch-Ukrainischen Europaschule wird aktuell nicht weiterverfolgt. Die Begegnungsschule ist leichter realisierbar. Susanne Vieth-Entus