Racial Profiling am Görlitzer Park? Menschen, die wegen ihrer Hautfarbe von Polizisten für Dealer gehalten und nur deshalb kontrolliert werden? „Das haben wir nicht wirklich beobachtet“, sagte Christiane Howe von der Technischen Universität (TU) Berlin, die mit ihrem Forscherteam mehr als drei Monate lang Polizisten begleitet hat. Die Kontrollen hätten immer einen Anlass gehabt. Es ist ein Befund, der überrascht. Denn das Gegenteil wird der Polizei oft vorgeworfen.

2021 war die Studie vom damaligen Innensenator Andreas Geisel (SPD) für 200.000 Euro in Auftrag gegeben worden, als Teil des Elf-Punkte-Plans zur Bekämpfung extremistischer Einstellungen bei der Polizei. Nun hat das Forscherteam in der am Freitag vorgelegten Studie ein differenziertes Bild gezeichnet. Studienleiterin Howe sagte, die Frage, ob die Polizei rassistisch sei oder nicht, könne nicht einfach beantwortet werden. Letztlich müsse man sagen: „Ja und nein“, so wie es die Gesellschaft insgesamt auch sei.

Am Ende drehte sich die Studie darum, in welchen Situationen Diskriminierung und Rassismus bei der Polizei entstehen können, wodurch sie befördert werden. Zu politischen Einstellungen von Polizisten soll eine andere Studie im Auftrag des Bundesinnenministeriums Auskunft geben, an der sich Berlin beteiligt.

Der 140-Seiten-Bericht des Zentrums für Technik und Gesellschaft an der TU attestiert Politik und Polizei, „an vielen Stellen bereits intensiv zum und am Thema“ Rassismus zu arbeiten. Trotzdem erlebten Menschen im Alltag Diskriminierungen, etwa durch „immer wiederkehrende Unterstellungen und Abwertungen“. Die Wissenschaftler berufen sich auf Auskünfte von 17 Verbänden und Initiativen, wonach Menschen mit Migrationsgeschichte nach eigenem Erleben „weitaus häufiger als Weiße im öffentlichen Raum kontrolliert“ und strikter geahndet werden. Aussagen, „ob rassistische Diskriminierungen zu- oder abgenommen haben und wie weit verbreitet das Phänomen ist“, seien aber kaum möglich.

Bei ihrer Feldforschung stellten die Wissenschaftler fest, dass Polizisten mit „vielfältigen Situationen, unterschiedlichen Menschen und zahlreichen Konfliktlagen umgehen, auf die sie sich meist nur kurzfristig einstellen können“. Es käme zu „Missverständnissen, Fehlannahmen, Irritationen“. Bei Einsätzen seien die Beamten nicht selten Gewalt und Aggression ausgesetzt. Ergo: Stress führt zu Fehlentscheidungen, nicht verarbeitete seelische Belastung verfestigt Voreingenommenheit. Um Diskriminierungen zu vermeiden, raten die Wissenschaftler der Polizei zu mehr Offenheit und Sensibilität für das Thema Rassismus. Nötig sei eine verbesserte Aus- und Fortbildung, auch zu Themen wie der kolonialen Geschichte Deutschlands. Wichtig seien aber auch soziale und kommunikative Kompetenzen, ebenso eine professionelle Reflexion zu Einsätzen, um Schubladendenken aufzubrechen. Zudem müssten Hinweise oder Kritik möglich sein, ohne dass dies sofort zu Konsequenzen führt.

Bei Kontrollen und Einsätzen sollten Polizisten sich über ihre Rolle als „mächtige Vertreter des staatlichen Gewaltmonopols“ bewusst sein und Erfahrungen der anderen Seite mitdenken. Bodycams oder „Kontroll-Quittungen“ könnten die Transparenz fördern, nötig seien auch digitale Übersetzer und die Sanierung maroder Dienststellen. Nachholbedarf habe auch die Zivilgesellschaft, denn viele Bürger wüssten nicht, „wofür die Polizei zuständig ist, was sie rechtlich darf, was sie rechtlich muss“. Polizeisprecherin Beate Ostertag bezeichnete die Studie als Arbeitsauftrag. Alexander Fröhlich