Neue Woche, alter Streit. Es ist Montagmorgen, 7:10 Uhr und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich ärgert sich wieder über die FDP: „Das nervt mich“, sagt er in der ARD über das Verhalten des Koalitionspartners und stellt den Liberalen vor laufenden Kameras ein Ultimatum beim Heizungsgesetz: „Die FDP hat jetzt noch 24 Stunden Zeit, der ersten Lesung des Gesetzes im Bundestag zuzustimmen.“

Doch davon zeigt sich der Generalsekretär der FDP, Bijan Djir-Sarai, wenig später wenig beeindruckt: „Der Zeitpunkt ist nicht entscheidend, sondern ob ein Gesetz funktioniert und die Menschen im Land nicht verunsichert.“ Das Gesetz habe „enorme Defizite“. „Hier brauchen wir ein neues Gesetz im Prinzip“, sagte Djir-Sarai.

Wann kommt das Gesetz in den Bundestag?

Eigentlich ist ein klarer Zeitplan vereinbart: „Es wird von der Bundesregierung im April im Kabinett auf den Weg gebracht, um das Gesetz vor der Sommerpause im Bundestag zu beschließen“, hatten die Ampel-Spitzen in dem 30-stündigen Koalitionsausschuss Ende März vereinbart. Doch schon der Kabinettbeschluss erfolgte nur mit Protestnote von Finanzminister Christian Lindner (FDP) und auch jetzt scheinen die Liberalen zu blockieren. Auf der vorliegenden Tagesordnung für diese Sitzungswoche befindet sich das Gesetz nicht.

„Wenn man sich anschaut, was jetzt auf dem Tisch liegt, dann ist das eine so große Baustelle, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass wir in dieser Sitzungswoche, geschweige denn vor der Sommerpause ein Ergebnis erzielen können“, sagt Djir-Sarai. Zwar betont er, dass nun die Stunde des Parlaments sei, doch eine Beratung des Entwurfes soll es im Bundestag erst geben, wenn die Grundlagen des Gesetzes verändert würden. 101 Fragen hat die FDP zuletzt an Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verschickt, diese seien bislang unbeantwortet.

Soll der Gesetzentwurf doch noch in dieser Woche eingebracht werden, müssten sich die Parlamentarischen Geschäftsführer in ihrer Sitzung am Dienstagvormittag darauf einigen – doch selbst bei den Grünen sinkt inzwischen die Zuversicht.

Ist eine Verabschiedung vor der Sommerpause noch realistisch?

Wird das Heizungs-Gesetz in dieser Woche nicht eingebracht, wird ein geregeltes parlamentarisches Verfahren knifflig, denn dann bleiben nur noch drei Sitzungswochen bis zur parlamentarischen Sommerpause. Normalerweise beschäftigen sich die Ausschüsse des Bundestags aber erst nach der Einbringung des Gesetzes, der sogenannten ersten Lesung, mit den Gesetzestexten.

In einer Anhörung werden dafür Expertenmeinungen gehört und Veränderungen beraten. Da das Gesetz mehrere Fachbereiche betrifft, würde diese Arbeit voraussichtlich in mehreren Ausschüssen stattfinden. Erst danach könnte das Gesetz zurück in den Bundestag zur zweiten und dann zur finalen dritten Lesung. Danach müsste das Gesetz formal noch durch den Bundesrat, der zuletzt am 7. Juli vor der Sommerpause tagt. Ob das alles angesichts der gegensätzlichen Interessen und mit dem neuen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium im Eiltempo gelingt, ist äußert fraglich.

Wie will die Ampel den Knoten lösen?

Hinter den Kulissen gleichen die Verhandlungen der Ampel dem Treiben eines Basars. Denn die Liberalen wollen primär nicht ihre 101 Fragen beantwortet wissen, sondern andere Gesetzesvorhaben voranbringen. So soll auch das Genehmigungsbeschleunigungsgesetz, das Anfang Mai durch das Kabinett ging und mit dem auch Autobahnprojekte vorangebracht werden, jetzt in den Bundestag. Hier bremsen die Grünen.

Auch beim Klimaschutzgesetz, wo die verpflichtenden Sektorziele aufgeweicht werden sollen, macht die FDP Druck. Doch hier gibt es noch gar keinen Gesetzentwurf. Die Grünen wiederum drohen hinter vorgehaltener Hand derweil mit einer Blockade des LNG-Beschleunigungsgesetzes. Damit soll im Eilverfahren ein LNG-Terminal vor Rügen gebaut werden. Ein Projekt, das formal auf dem Schreibtisch von Habeck liegt, an dem aber vor allem Bundeskanzler Olaf Scholz großes Interesse hat. Alles wird in diesen Tagen mit allem verknüpft – und dadurch ausgebremst.

Welche Änderungen wollen die Fraktionen vornehmen?

Nicht nur die FDP hat Änderungswünsche, auch SPD und Grüne wollen nochmal an das Gesetz. Umstritten sind etwa die Ausnahmeregelungen für über 80-Jährige, an denen es verfassungsrechtliche Zweifel gibt. Auch über den Beginn des eigentlich ab 2024 geplanten Gesetzes wird gerungen.

Die SPD will zudem Mieter schützen, damit sie nicht die Modernisierungsumlage nach einem Heizungstausch zahlen müssten, machte Parteichef Lars Klingbeil klar. Zudem müssten soziale Härten vermieden werden. Das wollen inzwischen auch die Grünen, die für Menschen, die ein zu versteuerndes Haushaltseinkommen von bis zu 20.000 Euro im Jahr vorweisen können, 80 Prozent der Kosten für den Heizungstauschübernehmen wollen. Mit steigendem Einkommen soll die Förderung dann sinken.

„Das sind alles kosmetische Operationen“, sagt FDP-Generalsekretär Djir-Sarai. Seine Partei pocht vor allem auf Technologieoffenheit und lehnt eine Bevorzugung der Wärmepumpe ab. Die bestehenden Gasnetze sollen erhalten bleiben und mit Biomassen und Wasserstoff genutzt werden.

Könnte das Gesetz nochmal neu geschrieben werden?

Am Institut für Klimafolgenforschung in Potsdam hält man diesen Schritt inzwischen für folgerichtig: „Meine Empfehlung an die Ampel wäre es, einen neuen Anlauf für die Heizungswende zu nehmen“, sagte Institutsdirektor Ottmar Edenhofer zuletzt der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Statt mit Verboten sollte die Regierung besser über den nationalen Zertifikatehandel für Brennstoff-Emissionen die Wärmewende vorantreiben. Die Idee: Öl- und Gasheizungen werden in der Nutzung so teuer, dass die Verbraucher von allein umsteigen.

Dagegen stemmt sich jedoch vor allem die SPD, die Preisschocks und soziale Härten befürchtet. Die FDP-Fraktion nimmt den Ball gerne auf: „Ein Gesetz, das so tief in die Entscheidungsfreiheit der Menschen eingreift, kann nicht im Schweinsgalopp beraten werden“, sagt der energiepolitischer Sprecher, Michael Kruse, dem Tagesspiegel: „Minister Habeck sollte einen neuen Entwurf vorlegen, der auf dem Koalitionsvertrag basiert – und nicht auf dem Wahlprogramm der Grünen.“