Muriel Asseburg ist Senior Fellow in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. 

Theoretisch ließe sich eine Zweistaatenregelung immer noch umsetzen. Aber die Hürden sind hoch: Die aktuelle israelische Regierung strebt eine jüdische Vorherrschaft im gesamten Gebiet und eine dauerhafte Kontrolle des Westjordanlands an. Die Siedlungspolitik möchte sie weiter forcieren. Die palästinensische Autonomiebehörde hält zwar am Zweistaatenansatz fest. Sie hat aber keinen Zugriff mehr auf den Gazastreifen, und es mangelt ihr an Unterstützung in der eigenen Bevölkerung. Auch hat sie zuletzt die Kontrolle in den Städten des nördlichen Westjordanlands verloren. Sie wäre kaum mehr in der Lage, Kompromisse einzugehen – wenn es denn ein Verhandlungsangebot gäbe –, geschweige denn, ein Abkommen umzusetzen. Zudem haben sich die Bevölkerungen immer mehr von einer Zweistaatenregelung abgewandt: Nur noch ein Drittel unterstützt sie. Zu erwarten ist damit eine Verfestigung der Einstaatenrealität mit ungleichen Rechten für seine zwei Bevölkerungen. Zugleich ist das Risiko einer bewaffneten Eskalation äußerst hoch.

Omri Boehm ist Associate Professor für Philosophie an der New School for Social Reseach in New York

Die Zweistaatenlösung ist nicht tot. Sie ist ein Gespenst: ein Wesen, das nicht mehr lebt, sich aber weigert, zu verschwinden. Die Palästinenser stellen die Mehrheit in dem zu teilenden Gebiet, aber selbst die „großzügigsten“ Zweistaatenangebote geben den Palästinensern die Souveränität nur über 22 Prozent des Landes. Außerdem leben dort etwa 700.000 jüdische Siedler, von denen die große Mehrheit die Gebiete nicht verlassen würde. Ein solcher fauler Kompromiss kann keinen Frieden bringen. Unterdessen fördern israelische Regierungen längst die Einstaatenpolitik und die aktuelle Koalition macht keinen Hehl aus ihrer Agenda. Das ist auch der Hauptgrund, warum die Macht des Obersten Gerichtshofs — der trotz seiner fragwürdigen Interpretation internationalen Rechts bisher schlimmere Verbrechen an den Palästinensern verhindert hat—mit den neuen „Reformen“ gebrochen werden soll. Der Tod der Zweistaatenlösung zerstört also auch die internen demokratischen Institutionen des Landes.

Carsten Ovens ist Geschäftsführer von ELNET Deutschland e.V., einem Thinktank, der sich mit den deutsch-israelischen Beziehungen beschäftigt

Seit Jahren trägt die EU das Mantra der Zweistaatenlösung vor sich her – und stellt stets frustriert fest, dass es vor Ort immer weniger Menschen interessiert. In Israel mag kaum noch jemand das politische Risiko eingehen. Auf palästinensischer Seite stellt sich die Frage, wer überhaupt verhandeln könnte. Im Gazastreifen herrscht die Terrororganisation Hamas. In der Westbank regiert der 87-jährige Mahmud Abbas seit 2009 ohne demokratische Legitimierung. Dennoch sollte Europa die politische Vision einer vor Ort zu verhandelnden Zweistaatenlösung erhalten. Hoffnung gibt das Abraham-Abkommen zwischen Israel sowie den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain. Die wichtigste Initiative seit Jahrzehnten verspricht mehr Stabilität für die Region. Europa sollte die Chance nutzen und gemeinsam mit den arabischen Staaten daran arbeiten, die wirtschaftliche Situation in den palästinensischen Gebieten zu verbessern, um Hass und Terror den Nährboden zu entziehen. So kann die Grundlage für einen neuen Friedensprozess gelegt werden.