Warum hängen Künstler vertrocknete Äste an die Decke, warum basteln sie riesengroße Zungen, legen sie Spiegel auf den Boden? Und was hat das alles mit mir zu tun? Solche Fragen dürfen Kinder beim Projekt Ephra stellen. Die Initiative hat die Berliner Künstlerin Rebecca Raue vor fünf Jahren gegründet und es sich zum Ziel gemacht, Schüler direkt in die Ateliers von Künstlern zu schicken. Im Rahmen dieses Projekts eröffnet an diesem Wochenende die Ausstellung „Gedanken Spielen Verstecken“. Sie soll einen Eindruck davon geben, wie Ephra funktioniert. Und natürlich geht es auch darum, das Projekt langfristig zu finanzieren, neben Volkswagen und Andreas Gerl Stiftungweitere Sponsoren zu begeistern.

Wenn man sieht, wie die Kinder durch das Kunst Haus Mitte rennen, wie sie begeistert einzelne Werke erklären und sich gemeinsam auf dem runden Sitzpolster vor einer Videoarbeit fläzen, versteht man sofort, was dieses Projekt bewirkt: Aufgeschlossenheit, Neugierde, ein Gefühl der Verbundenheit. Ephra hat inzwischen etwa 260 Kinder zu fast 70 Künstlerinnen und Künstlern ins Atelier geführt. International bekannte Namen wie Karin Sander, Christian Jankowski, Tomás Saraceno und Jeppe Hein, Venedig Biennale-Teilnehmerin Ilit Azoulay, Künstlerinnen wie Ayumi Paul, Dafna Maimon und Ali Kaaf, die in Berlin leben und international ausstellen.

Ephra arbeitet mit Schulen zusammen, überwiegend mit sogenannten Brennpunktschulen, aber nicht nur. Die Kinder, in kleinen Gruppen von zwölf, lernen zunächst Interviewtechniken und das Filmen bevor sie im Laufe eines halben Jahres jeweils zu vier Künstler:innen ins Atelier gehen.

Am Eröffnungstag der Ausstellung ist die Klasse der Hausotter Grundschule aus Reinickendorf da, die Kinder kommen aus den Stufen 4 und 6, sind zwischen acht und zwölf Jahren alt. Was ihnen in den Ateliers am besten gefallen hat? „Dass man fragen kann, warum Künstler bestimmte Dinge gemacht haben.“ „Die vielen Farben“, sagen sie. Die meisten wollen trotzdem nicht gleich Künstler werden.

Viele Kinder haben im Alltag keinen Kontakt mit Kunst

Wahrscheinlich sehen sie bei den Besuchen auch, dass ein Künstlerleben stressig sein kann. „Als die Kinder zu mir kamen, war grade viel los“, sagt der Konzeptkünstler Christian Jankowski, der oft performative Elemente nutzt und Zuschauer und Personen aus kunstfernen Berufen in seine Werke einbezieht. Die Kinder durften sich zunächst selbständig in seinem Studio umschauen, erzählt er. Über die Fotos an der Wand entspann sich eine Diskussion über seine Denkmal-Arbeiten, bei denen der Künstler Statuen in Warschau von Gewichthebern anheben ließ. Die Kinder sollten überlegen, wem sie selbst gern ein Denkmal setzen würden und dies auch gleich darstellen. Fotos dieser Aktion sind jetzt Teil der Ausstellung.

„Es geht explizit nicht um Kunst, die eigens für Kinder gemacht wird“, betont Rebecca Raue. Es geht auch nicht ums Basteln und oder darum zu lernen, wer Picasso war. Die Kinder sollen mit denjenigen Werken in Kontakt kommen, die die Künstler sonst in Museen und Ausstellungshäusern zeigen. Sie sollen üben zu sprechen, sich über Wünsche, Ängste und Ziele austauschen, Beziehungsfähigkeit trainieren.

Im Treppenhaus des Kunst Haus Mitte hat jahrelang der Hund des Hausbesitzers an der Wand entlanggeschubbert. Die braunen Spuren hat Konzeptkünstlerin Karin Sander „gerettet“ und zum Kunstwerk gemacht. Und sie hat zusätzlich ein Foto des Pudels aufgehängt. So wird Alltägliches anders sichtbar gemacht. Über all dies können die Kinder trefflich diskutieren. Und sie lernen: Kunst hat auch mit mir zu tun.