Zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor wird im Tiergarten einmal pro Woche eine Parkwiese zum Spielfeld. Joshua Liebnau kommt mit seinen Freunden seit drei Jahren regelmäßig hierher, gemeinsam gehen sie ihrer Leidenschaft für Ultimate Frisbee nach. Mit Jacken und Trinkflaschen markieren sie zwei Endzonen, teilen sich in zwei Teams auf und rennen der durch die Luft segelnden neongelben Scheibe hinterher. „Seit einiger Zeit ist Ultimate Frisbee meine absolute Lieblingssportart“, sagt Liebnau, der 24 Jahre alt ist und selbst auch Fußball spielt.

Dabei brauchte er zunächst einen kleinen familiären Anstoß, um zur Frisbee zu greifen. Sein Vater spielte damit schon in den 1980er Jahren in Hamburg und gab sein Wissen gern weiter. Heute spielt Liebnau junior mit seinen Freunden und seinem Vater in der „Ultimate Frisbee Gang“. Zusammen schätzen sie die lockere Atmosphäre, auch wenn ein gewisser sportlicher Ehrgeiz dazu gehört. „Das Besondere ist, dass man Frisbee auch gut in gemischten Teams spielen kann, mit Männern und Frauen oder Alt und Jung“, sagt Liebnau.

Was nach lockerer Freizeitbeschäftigung klingt, ist allerdings auch ein richtiger Sport, der sich in den 1960er Jahren in den USA entwickelte. Studierende der Columbia High School vereinten seinerzeit im Ultimate Frisbee Elemente aus Basketball und American Football. Spielidee ist es, durch geschicktes Zuwerfen als Mannschaft die Scheibe in der gegnerischen Endzone zu fangen. Körperkontakt und mit der Frisbee laufen sind nicht erlaubt. Die andere Mannschaft versucht die Scheibe bei einem Pass abzufangen und anschließend in die andere Endzone zu gelangen. Ein offizielles Spielfeld ist 100 Meter lang und 37 Meter breit und es wird mit sieben gegen sieben gespielt. Nach jedem Punkt darf eine beliebige Anzahl von Spielern ausgewechselt werden. Das Spiel endet, wenn eine Mannschaft 15 Punkte erreicht hat oder es länger als 90 Minuten dauert.

Auch in Deutschland gibt es inzwischen ein Ligasystem und die Möglichkeit, Ultimate Frisbee auf Leistungssportniveau zu spielen. Organisiert wird der Betrieb vom Deutschen Frisbeesport-Verband (DFV), er ist der Dachverband für die über 100 Ultimate-Frisbee-Vereine und auch für die anderen Frisbeesportarten, wie beispielsweise Disc Golf. Es gibt eine Liga für gemischte Teams, eine Männer-Liga und eine Frauen-Liga. Die Meisterschaft wird an einem Wochenende im Jahr in Turnierform ausgespielt. Aufgrund der noch überschaubaren Anzahl an Frisbeeteams in Deutschland wäre ein wöchentlicher Ligabetrieb mit einem zu großen logistischen Aufwand verbunden. Die besten Männer spielen im Klub Bad Skid aus Heilbronn, der seit neun Jahren den Deutschen Meister stellt. Bei den Frauen konnten die Mainzelmädchen drei Jahre in Folge den Titel gewinnen und in der gemischten Liga seit zwei Jahren der Klub Colorado Karlsruhe.

Eine gemischte Liga, wo alle Geschlechter gemeinsam spielen, gibt es bei den meisten anderen Sportarten nicht. „Sportarten mit Männern und Frauen gemischt sind stark im Kommen. Es geht dann nicht darum, wer am schnellsten ist und wer am höchsten springen kann, sondern darum als Team gut zusammenzuspielen“, sagt Bundesligspieler Paul Herkens. Neben der Möglichkeit, sich in Parks zusammenzufinden und zu spielen, existiert auch eine professionelle Szene im Ultimate Frisbee. Paul Herkens kam mit 14 Jahren durch einen Schulfreund zum Frisbee und spielt mittlerweile für den Berliner Bundesligisten Wall City. Mit der deutschen Jugendnationalmannschaft war er in Kanada bei der Weltmeisterschaft und in Polen bei der Europameisterschaft. „Frisbee ist Abenteuer. Viele verschiedene Leute, die Lust haben, Sport zu machen und Frisbee zu spielen, können zusammenspielen und Spaß haben“, sagt Herkens.

Dabei steht der Fair-Play-Gedanke beim Ultimate-Frisbee ganz weit oben. „Selbst auf hohem Niveau gibt es keine Schiedsrichter. Frisbee ist auf der Welt die einzige Sportart ohne Schiedsrichter“, sagt Herkens. Für viele unvorstellbar, entscheiden die Spielenden selbst bei Weltmeisterschaften unter sich, ob es eine Körperberührung und somit ein Foul gab oder nicht. Möglich ist dies auch durch das leichte Regelwerk von Ultimate Frisbee. Innerhalb von ein paar Minuten hat jeder den Dreh raus und kann mitspielen. „Wenn man weiß, wie man eine Frisbee werfen muss, dann geht das relativ schnell“, sagt Herkens.

An den Wochenenden, an denen die deutsche Meisterschaft ausgespielt wird, kommen mittlerweile zwar 300 Zuschauende und die Spiele können auch online im Stream verfolgt werden, dennoch ist Ultimate Frisbee in Deutschland weitgehend unbekannt. „Ich glaube, die Leute, die es erreicht, sind ziemlich fasziniert davon, aber es sind einfach sehr wenige. Ich hoffe, dass in naher Zukunft mehr werden, die davon Wind bekommen und es selbst mal auszuprobieren“, hofft der 20 Jahre alte Berliner.

Der Sportverein von Paul Herkens, die Turngemeinde in Berlin 1848 e. V. (TiB) ist mit über 6000 Mitgliedern einer der größten Sportvereine der Stadt und stellt fünf Mannschaften im Ultimate Frisbee. Neben der TiB 1848 gibt es in Berlin sieben weitere Vereine, bei denen man Ultimate Frisbee kennenlernen und spielen kann.

Joshua Liebnau hat in seinem Bekanntenkreis viele Menschen auf Frisbee aufmerksam gemacht. Vorerst spielt er es mit seiner Freizeitgruppe weiter im Tiergarten, kann sich aber auch vorstellen, irgendwann mal in einen Verein einzutreten. Wenn er einmal in der Woche mit seinen Freunden die Frisbee wirft, wird die Gruppe auch immer wieder von Passanten angesprochen. „Fremde Leute, die uns einfach im Park gesehen haben, sind mittlerweile auch regelmäßig dabei“, erzählt Liebnau. Selbst in den oft grauen und nassen Wintermonaten wird weitergespielt. „Regen ist kein Grund, nicht zu spielen. Mit Jacke kann man es auch super im Winter machen“, sagt Liebnau. Und wenn es dem einen oder anderen doch mal zu kalt wird, geht Frisbee notfalls auch weniger ultimativ ganz klassisch zu zweit.