Herr Drosten, lange haben Sie keine Interviews mehr gegeben, aber jetzt, wo die täglichen Neuinfektionen wieder auf bis zu über 2200 steigen, der höchste Wert seit April, haben Sie den NDR-Podcast wieder begonnen. Ein Zeichen, dass wir am Beginn der zweiten Welle stehen?

Also, diese ganze Wellendiskussion. Eine Welle erkennt man erst im Nachhinein. Und sie ist ja nichts Unausweichliches, etwas, was von alleine über uns schwappt. Wir alle sind die Welle. Das ist genau wie bei einem Stau, von dem jeder Autofahrer ein Teil ist ...

... aber ja nur wenig Möglichkeit hat, sich zu entscheiden, wie er sich verhält!

Natürlich kann nicht jeder Einzelne immer das Ganze beeinflussen. Aber wer schon früh gewarnt wird, dass sich in 80 Kilometern Entfernung ein Stau aufbaut, kann jetzt schon mal überlegen, ob er einen Umweg nimmt. Das ist etwa unsere Situation: Wir sehen, dass in Frankreich, Spanien und England die Infektionszahlen wieder steigen, noch sind es vor allem Jüngere, die seltener schwer erkranken, aber dennoch laufen dort jetzt schon wieder die Kliniken und zum Teil auch die Intensivstationen voll. Das muss man ernst nehmen.

Sie haben jahrelang ein von der großen Öffentlichkeit unbemerktes Forscherleben geführt. Seit Beginn der Pandemie haben Sie Ihr Leben geteilt in das Praktizieren von Wissenschaft und das Reden über Wissenschaft. Was ist für die Bekämpfung einer Pandemie wichtiger?

Es ist schon beides wichtig, denn man muss die ganze Bevölkerung mitdenken lassen. Ein einzelner Wissenschaftler kann in Form der akuten Forschung derzeit nur begrenzt viel erreichen: Einige helfen zum Beispiel bei der Impfstoffforschung, aber das ist nicht unsere Expertise hier am Institut. Wir haben helfen können, als wir im Januar den ersten Diagnostiktest für Sars-CoV-2 entwickelt und damit dafür gesorgt haben, dass er in Deutschland schon verfügbar war, bevor die erste Welle kam. Wir haben das Virus schon im Labor bemerkt und nicht erst auf der Intensivstation wie in Italien. Deshalb hatten wir in Deutschland so wenig Tote.

Woran arbeiten Sie zurzeit?

Derzeit helfen wir, Schnelltests für Sars-CoV-2 (siehe Text unten) möglichst noch in diesem Herbst auf die Straße zu kriegen - buchstäblich: Ich würde mir wünschen, dass so wie jetzt die Masken in den Pfützen schwimmen, im Spätherbst die Teststreifen der Schnelltests dort liegen, sie also so verbreitet wären, dass sie direkt zur Kontrolle der Epidemie beitragen können. Zwar nicht in jedem Haushalt, aber doch in Händen von Fachpersonal außerhalb der Kliniken.

Ein „anlassloses“ Testen, also ohne Symptome, wird auch kritisiert - etwa vom „Netzwerk evidenzbasierte Medizin“, das eine hohe Rate von falsch positiven Testergebnissen befürchtet.

Blindes Testen ist generell problematisch, aber das mit den falsch positiven Ergebnissen ist ein Missverständnis. Dieses Netzwerk zitiert aus einem Ringversuch, der für den Sars-CoV-2-Test eine Rate von 1,4 Prozent falsch positiver Ergebnisse angibt. Der Ringversuch hatte aber gar nicht zum Ziel, die Spezifität des Tests zu bestimmen. Insofern hat das Ergebnis nichts mit der Realität der Coronavirus-Testung zu tun. Die Labore benutzen alle mindestens zwei Tests. Wenn in der Praxis ein Test nur schwach positiv ist, dann wird die gleiche Probe erneut getestet. Man gibt nicht einfach mal sorglos positive Ergebnisse raus. Solche Äußerungen schüren Misstrauen in die Labortestung und gefährden auch die Maßnahmen gegen die Pandemie.

Das Netzwerk schreibt auch, dass „der Anstieg der positiven Tests ohne gleichzeitige Zunahme von Hospitalisierungen, Intensivbehandlungen und Todesfällen derzeit keine einschneidenden Maßnahmen rechtfertigt“.

Das ist richtig - aber auch trivial. Hier wird gesagt, die Zahlen rechtfertigten derzeit keine einschneidenden Maßnahmen. Wir aber sorgen uns ja nicht um diese Woche, sondern um den November und den Februar auch noch. Wir müssen vordenken, sonst ist es irgendwann zu spät.

Die größte Unsicherheit herrscht gerade in den Schulen: Sind sie gut vorbereitet auf das, was kommen könnte?

Zunächst einmal bedauere ich, dass es im Mai und Juni so viel irreführende Informationen in der öffentlichen und politischen Diskussion gegeben hat.

Was meinen Sie damit?

Es kursierte ja die Vorstellung, dass Kinder kaum am Infektionsgeschehen beteiligt sind. Wir konnten jedoch in einer Studie als Erste zeigen, dass Kinder etwa eine gleich große Menge Viren mit sich herumtragen wie Erwachsene und daher möglicherweise eine vergleichbare Ansteckungsgefahr von ihnen ausgeht. Diese Studie wurde unter Missachtung der journalistischen Sorgfaltspflicht medial teils falsch dargestellt und völlig ungerechtfertigt skandalisiert. Das hat dann einen rationalen, lösungsorientierten Austausch zur Sache erschwert.

Wollen Sie damit sagen, dass die Schulen jetzt besser vorbereitet wären, wenn es die viel diskutierten Angriffe der „Bild“-Zeitung, in denen Ihre Studie wegen der Kritik einiger Experten an der statistischen Auswertung etwa als „grob falsch“ bezeichnet wurde, nicht gegeben hätte?

Kritischer Diskussion meiner Forschungsergebnisse stelle ich mich immer. Der Diskurs ist durch Schlagzeilen angestoßen worden, hat sich dann aber fortgesetzt, weil Fachfremde aufgesprungen sind. Dadurch haben wir Zeit verloren. Ich habe immer gesagt, dass die Schulen offen bleiben sollten, aber man muss doch darüber reden, wie das erreicht werden kann, wie Arbeitsschutz für Lehrer und Fürsorgepflicht für die Schüler trotzdem gewährleistet werden. Da muss etwa geklärt werden, ob die Schüler immer noch in einem geschützten rechtlichen Bereich sind, wenn man etwa Hallen oder Festzelte anmietet, um für mehr Abstand zu sorgen, ob der Arbeitsschutz ständige Zugluft zulässt und was Ventilatoren kosten würden Mai, Juni, Juli, August - vier Monate hätte man Zeit gehabt, wenn nicht gleich zu Anfang die entscheidende Information verzerrt worden wäre durch einen Angriff auf meine Person und die wissenschaftliche Arbeit meiner Arbeitsgruppe. Jetzt sind wir fast wieder in einer ähnlichen Situation wie damals. Wir werden Probleme kriegen mit der unbeschränkten Schulöffnung, wie sie inzwischen stattgefunden hat.

Sie sind noch immer wütend. Aber warum ist die Studie noch immer nicht in einem ordentlichen Fachjournal, begutachtet von anderen Experten, veröffentlicht?

Die Arbeit ist sicher genauer begutachtet worden und durch viel mehr Wissenschaftler als irgendeine andere wissenschaftliche Arbeit dieses Jahres. Wir haben sie nach Hinweisen auf Fehler in der statistischen Analyse der Daten überarbeitet und in der neuen Version als Preprint veröffentlicht, aber an der Grundaussage hat das nichts geändert. Doch die Angriffe haben uns viel Zeit gekostet und andere sind uns dann mit ähnlichen Ergebnissen zuvorgekommen. Den wissenschaftlichen Wettlauf haben wir darüber verloren, denn eine gute Publikation muss nicht nur richtig sein, sondern auch neu. Wir haben uns deshalb entschieden, die Arbeit noch besser zu machen und auszubauen. Inzwischen haben wir Daten aus sechs Monaten statt sechs Wochen gesammelt und können jetzt sehr wichtige zusätzliche Aussagen treffen, die bisher unbekannt waren.

Können Sie uns dazu schon vor der Veröffentlichung etwas sagen?

Nur grob: Wir gehen deutlich über Fragen zu Kindern hinaus. Wir zeigen jetzt, wie der PCR-Test mit der eigentlichen Infektiosität korreliert. Das heißt, wir können jetzt nicht mehr nur sagen, ob jemand infiziert ist, sondern auch, ob er zum Zeitpunkt des Tests eine infektiöse Virusdosis trug.

Heißt das, dass die Labore jetzt mithilfe der gleichen PCR-Tests, die sie jetzt schon durchführen, auch die Ansteckungsgefahr einschätzen können?

Ja. Das Ziel ist, einen Korridor festzulegen. Wenn die PCR viel Virus nachweist, dann war dieser Patient mit großer Wahrscheinlichkeit zum Zeitpunkt der Probenentnahme infektiös. Also Vorsicht! Wer Kontakt hatte, sollte sofort in Quarantäne. Wessen Testergebnis unterhalb eines bestimmten Korridors liegt, der ist zwar infiziert, aber nicht mehr infektiös und stellt eher kein großes Risiko dar. Ich hoffe, dass das den Gesundheitsämtern bei der Nachverfolgung von Kontakten helfen wird, oder den Kliniken, die entscheiden müssen, ob sie einen Patienten nach Besserung entlassen können.

Wie schnell kann man das umsetzen?

Im Prinzip könnte eine Gesundheitsbehörde das per Empfehlung schon bald umsetzen. Wir reden gerade mit dem Robert-Koch-Institut drüber. Aber wir sind ja im Moment in Deutschland gar nicht in der Not. Wir haben vergleichsweise geringe Neuinfektionszahlen und Zeit, solche Erkenntnisse zu diskutieren und Maßnahmen vorzuhalten für den Moment, wenn es wieder ernst wird. Derzeit sind die existierenden Richtlinien vollkommen in Ordnung.

Telefonieren Sie denn nun jeden Tag mit Frau Merkel und diktieren ihr die Corona-Politik?

Die Vorstellung, ich würde ständig persönlich die Kanzlerin beraten, ist eine reine Legende. Ganz am Anfang der Pandemie hatte ich mal ein persönliches Gespräch mit ihr. Sonst war und bin ich aber nie der einzige Wissenschaftler, mit dem die Politik spricht. Diese Gespräche passieren auf drei Ebenen: Auf politischer Ebene existieren Beratungsgruppen von Experten, die sich regelmäßig treffen, derzeit per Videokonferenz. Die Politiker machen sich im Gespräch mit mehreren Wissenschaftlern ein eigenes Bild - und dabei interessiert sie ja gerade der Punkt, an dem die Wissenschaftler untereinander noch diskutieren. Dann gibt es selten Anrufe aus Ministerien oder Kommissionen zu Details. Die wichtigste ist jedoch die Arbeitsebene, auf der man mit Experten etwa aus dem Robert-Koch-Institut spricht, die Spezialkompetenz im Labor haben.

Aber Sie und auch andere Wissenschaftler haben doch offenbar recht viel Macht derzeit - auch weil Sie die Politik mit einer Äußerung vor sich hertreiben können, etwa wenn Sie sich skeptisch gegenüber Schulöffnungen zeigen.

Auch da ist sehr viel Erzählung dabei, die einfach nicht wahr ist. In der Sitzung im März, in der die Schulschließungen besprochen wurden, war ich nicht der einzige Wissenschaftler, auch wenn das so dargestellt wurde. Wir sind damals zu Fuß durch menschenleere Straßen von der Charité ins Kanzleramt gelaufen. Und wir haben dort nicht empfohlen, die Schulen zu schließen. Ich habe die Relevanz der Schulen so erklärt, wie das öffentlich im Podcast dokumentiert ist: Zunächst dachte ich, dass Kinder zahlenmäßig nicht so ins Gewicht fallen in einer Pandemie, doch dann bekam ich einen Hinweis auf eine Studie, die aufzeigt, dass sie in der Influenzapandemie von 1918 doch eine überproportionale Rolle gespielt haben. Und genau so habe ich das auch in der Sitzung gesagt. Ich habe nichts geraten. Die Entscheidung haben dann die Politiker getroffen, und zwar nachdem wir die Sitzung verlassen hatten.

Haben Sie manchmal das Gefühl, Sie kämpfen nicht nur gegen das Coronavirus, sondern auch gegen bestimmte Medien?

Manche scheinen sich gefragt zu haben: „Play the ball or play the man?“ - Wollen wir uns mit den Inhalten beschäftigen oder auf die Person losgehen? Irgendwann ist offenbar ein Schalter umgelegt worden, dass man auf meine Person losgegangen ist. Seitdem nehmen viele meinen Namen in den Mund als pars pro toto einer Wahrheit, die sie nicht hören wollen. Die Pandemie ist aber ein biologisches Phänomen, das man nicht wegdiskutieren kann. Und es nützt ja auch nichts: Nach allem, was ich lese, können 80 oder 90 Prozent der Bevölkerung die Maßnahmen nachvollziehen und sind damit einverstanden. So eine hohe Unterstützung erreicht man nur, wenn sich die überwältigende Mehrheit mit den Inhalten befasst und sie auch verstanden hat.

Welche Rolle spielen Leute, die etwa das Maskentragen ablehnen, in der Pandemie?

Wir haben ja in Deutschland eigentlich keine Politisierung der Maske oder des Maskenverweigerns, anders als in den USA, wo sogar der Präsident es vorgemacht hat. Die Zahl von Leuten, die sich privat im Alltag drüber aufregen und die vielleicht als Provokation ohne Maske durch den Supermarkt laufen, ist gering.

Sind diejenigen, die die Gefährlichkeit des Virus leugnen, eine Gefahr für die Gesundheit, weil sie die Eindämmungsmaßnahmen konterkarieren?

Eine Studie von James Lloyd Smith in „Nature“ zeigt anhand der Sars-Epidemie 2002, dass zwei verschiedene Sorten von Maßnahmen kombiniert gut funktionieren: eine breit angelegte, die nur etwa 20 Prozent Durchschlagkraft haben muss, also zum Beispiel das Maskentragen. Zusätzlich eine gezielte Maßnahme gegen Cluster, also das Eindämmen von Superspreading-Events, wenn eine Person sehr viele weitere ansteckt. Das ist auch bei Sars-CoV-2 so. Die Clusterkontrolle ist Aufgabe der Gesundheitsämter, das Maskentragen erfordert die Kooperation der Bevölkerung, und es wirkt auch, wenn nicht jeder mitmacht.

Das RKI und auch Sie haben das am Beginn der Pandemie anders kommuniziert. Sie haben sogar, anders als etwa der Tagesspiegel, gesagt, dass das Maskentragen gar keine Wirkung habe. Warum? Weil keine Masken da waren?

Der Kontext war damals ein anderer. Damals wussten wir anhand von ähnlichen Erkrankungen: es gibt eine schwache Fremdschutzkomponente, und das habe ich auch klar gesagt. Fremdschutz ist aber nur wirksam, wenn alle die Maske tragen, was man so plötzlich wohl kaum umgesetzt hätte. Und es gab schon kaum genügend Masken für das medizinische Personal, wo sie für den Selbstschutz wirken wegen der direkteren Exposition.

Aber muss der Wissenschaftler nicht klar sagen, was Stand des Wissens ist, nicht was taktisch gerade richtig ist?

Taktik gab es nicht auf meiner Seite. In dem Moment gab es nun einmal keine speziellen Daten zu COVID-19, man musste Analogien bemühen.

Um das ein für alle mal und für den Herbst und Winter zu klären: Maskentragen schützt andere und auch den Maskenträger ein Stück weit vor Ansteckung, richtig?

Ja, in der Zwischenzeit ist das für COVID-19 gezeigt worden.

Wissen Sie noch, wann Sie Wissenschaftler sind und wann Sie eine Empfehlung abgeben und es politisch wird?

Es ist bis heute so, dass ich keine Empfehlungen gebe, sondern dass wir nur Datenstände berichten, aus denen dann andere Empfehlungen formulieren. Oder die Politik entscheidet gleich auf Basis der wissenschaftlichen Daten. Ich habe vor den Entscheidungen, die die Politik immer wieder treffen muss, ziemlichen Respekt. Ich möchte das nicht machen müssen.

Von großen politischen Entscheidungen abgesehen muss ja in der Pandemie auch jeder selbst entscheiden, wie er mit der Situation und den Regeln umgeht. Im Juni, an Ihrem 48sten Geburtstag, war der Lockdown ja wieder vorbei. Sie hätten also theoretisch 50 Leute einladen dürfen

Habe ich aber nicht (lacht). Ich habe gefeiert, mit einem kleinen Personenkreis, und weil es nicht so kalt war, haben wir die Terrassentüren sehr weit aufgemacht.

Gehen Sie essen, im Restaurant?

Draußen ja.

Und wenn der Winter kommt?

Ich kann nur sagen, dass es wichtig wäre, durchzulüften.

Ist Lüften wichtiger als Händewaschen?

Ja, das ist es, nach Datenstand. Doch entscheidend ist die AHA-Formel: Abstand, Hygiene, Alltagsmasken und zusätzlich die Aufklärung über die Maßnahmen.

In Israel ging es zuerst in den Schulen wieder los.

Auch in Deutschland gibt es inzwischen belegte Ausbrüche an Schulen. Da werden wieder einige sagen: Aber es ist doch noch nichts passiert. Klar, weil die Gesundheitsämter darauf achten. Noch haben die Behörden die Kraft, früh zu reagieren. Es gibt Schulklassenquarantänen im Moment, landesweit.

Sie haben schon im August vorgeschlagen, dass man dann zuallererst Infektionscluster bekämpfen solle.

Ich glaube, das haben inzwischen viele Ämter und Amtsärzte präsent. Der Vorschlag ist ja nicht, dass wir jetzt einen Richtungswechsel machen, sondern dass wir vorsorglich einen Notfallmodus definieren für den Fall, dass es irgendwann nicht mehr möglich sein sollte, jeden Fall und dessen Kontakte nachzuverfolgen. Dann muss man wissen, worauf man sich konzentriert. Das sollte verbunden sein mit einer kurzen Isolations- oder „Abklingzeit“ und „Freitesten“, also dass jemand wieder arbeiten gehen kann, wenn der PCR-Test zeigt, dass er nicht mehr infektiös ist, obwohl er noch etwas Viruserbgut mit sich herumträgt.

Neben aller Kritik wird Ihnen ja auch sehr viel Verehrung entgegengebracht. Die Punkband „ZKS“ hat Ihnen den Song „Ich habe Besseres zu tun“ gewidmet. Ihr Podcast hat den Grimme-Online-Preis bekommen, Sie selbst den Radiopreis und einen Kommunikationspreis. Was bedeutet Ihnen das?

Die Medienpreise nützen mir als Wissenschaftler für meinen Lebenslauf nichts. Aber ich glaube, die Rolle von Wissenschaftskommunikation wird immer wichtiger, das wird jetzt anerkannt. Bisher hat ja der Wissenschaftler etwas publiziert, das Fachjournal machte dazu eine Pressemitteilung und die Journalisten schrieben eine Meldung, die jeder versteht. Jetzt muss man als Wissenschaftler direkter sagen, was los ist.

Manch einer unkt, unser Leben werde nie wieder zu dem zurückkehren, wie es war.

Und andere meinen: Wer weiß, ob wir jemals irgendeinen Impfstoff haben werden. Ich würde gern die Gründe für einen solch fundamentalen Zweifel hören. Es ist sicher nicht garantiert, dass wir im nächsten Jahr impfen können, aber meine Einschätzung ist positiver.

Sie sind also optimistisch?

Die ersten Impfstoffe werden wahrscheinlich nicht perfekt sein. Es könnte schon sein, dass sie nicht so stark wirken, wie man sich das wünscht. Wenn beispielsweise gemeldet wird, dass eine Studie vergrößert wird, könnte das auch bedeuten, dass man wohl mehr Menschen impfen muss, um überhaupt einen Effekt feststellen zu können. Und über seltene Nebenwirkungen kann man jetzt auch noch nichts sagen. Aber dass es im nächsten Jahr einen Impfstoff gegen Sars-CoV-2 geben wird, diese Hoffnung habe ich. Darauf basiert unsere gesamte Strategie.

Sie spielen Gitarre, der Punkband „ZKS“ haben Sie als Dank für den Song versprochen, mit ihr zusammen aufzutreten. Besteht auch dort Hoffnung?

Nein, das würde ich jetzt auf keinen Fall machen. Vielleicht, wenn alles vorbei ist. Noch gibt es keinen Grund zum Feiern.

Das Gespräch führten Deike Diening und Sascha Karberg.

Foto: Christophe Gateau/p-a