Das „Wall Street Journal“ will von Insidern erfahren haben, dass das amerikanische Justizministerium nach Möglichkeiten sucht, den juristischen Marathon von Julian Assange zu beenden. Laut eines Berichts des US-Mediums erwägt das Ministerium, dem australischen Whistleblower zu erlauben, sich für ein geringeres Vergehen schuldig zu bekennen. So könnte er den Missbrauch vertraulicher Informationen eingestehen und über einen derartigen Deal dann aus dem britischen Gefängnis freigelassen werden.

Mit Wikileaks, einer Enthüllungsplattform im Internet, die er 2006 gründete, veröffentlichte der Australier Tausende Dokumente, die Unternehmen und Regierungen als geheim deklariert hatten und die Kriegsverbrechen, Spionagefälle und Korruption zeigten. Dabei ging es der Plattform darum, Ungerechtigkeiten und illegale Handlungen aufzudecken, die unter dem Mantel der Staatssicherheit vertuscht werden sollten.

Brisante Dokumente publiziert

Assange brachte alteingesessene Medien dazu, das vor allem für die USA rufschädigende Material auszuwerten. Dazu gehören der britische „Guardian“, die „New York Times“, „El Pais“ in Spanien und der „Spiegel“ in Deutschland.

Besonders brisant waren Tausende geheime Dokumente über amerikanische Aktivitäten im Irak und in Afghanistan, die ihm vom damaligen Geheimdienstoffizier Bradley (heute Chelsea) Manning zugespielt worden waren und die er 2010 publizierte. Manning kam dafür ins Gefängnis, doch ein Großteil der Strafe wurde der ehemaligen Soldatin vom einstigen US-Präsidenten Barack Obama erlassen. Unter dem veröffentlichten Material war ein US-Militärvideo, das zeigt, wie etliche unschuldige Menschen in einem irakischen Stadtteil von New Baghdad getötet werden, darunter auch zwei Nachrichtenmitarbeiter von Reuters.

Für diese Veröffentlichung geheimen Materials wollen die USA Assange vor ein US-Gericht stellen. Assanges Taten hätten die US-amerikanische nationale Sicherheit gefährdet und die namentlich genannten Personen, darunter geheime Quellen der US-Dienste, einer großen Gefahr ausgesetzt, hieß es von amerikanischer Seite.

Kommt Assange bald frei?

Laut des aktuellen Berichts im „Wall Street Journal“ soll das US-Justizministerium nun aber planen, die derzeit 18 Anklagen nach dem Spionagegesetz fallenzulassen, falls sich Assange für ein geringeres Vergehen, nämlich den Missbrauch geheimer Dokumente, schuldig bekennen sollte. Letzteres gilt als eine Art Ordnungswidrigkeit.

Ein derartiger Deal könnte – laut der US-Zeitung – wohl vollendet werden, ohne dass Assange in die USA ausgeliefert werden müsste. Da er bereits fünf Jahre Haft in Großbritannien hinter sich hat, würde er damit vermutlich bald freikommen. Großbritannien könnte ihn in der Folge dann in sein Heimatland Australien abschieben.

Laut eines Berichts des „Guardian“ weiß Assanges Anwaltsteam jedoch offiziell nichts von den US-amerikanischen Bemühungen, über die das „Wall Street Journal“ berichtet. Barry Pollack, einer von Assanges Verteidigern, lehnte es als „unangemessen“ ab, sich zu äußern, während der Fall von Assange nach wie vor dem Obersten Gerichtshof in Großbritannien verhandelt werde.

„Die mögliche Strafe von 175 Jahren, die Assange droht, wenn er in den USA vor Gericht gestellt wird, ist lächerlich – das sollte niemandem drohen, der Informationen im öffentlichen Interesse veröffentlicht“, sagt Katharina Viktoria Weiß, Pressereferentin bei „Reporter ohne Grenzen“, dem Tagesspiegel. „Wir fordern die US-Regierung weiterhin auf, eine Lösung zu finden, um seine Auslieferung zu verhindern und seine Freilassung ohne weitere Verzögerung zu ermöglichen, sei es durch einen Vergleich oder andere Mittel. Egal, was man von Assange hält, die fünf Jahre, die er bereits abgesessen hat, sind mehr als genug.“

Donald Rothwell, Professor für internationales Recht an der Australian National University, ist zum einen überrascht, dass ein Deal stattfinden könnte, ohne dass Assange vor einem US-Gericht steht. Zum anderen gibt er zu bedenken, dass Assange sich in der Vergangenheit noch nie schuldig erklärt hat. „Das würde eigentlich nicht zu Assanges Charakter und seinen Prinzipen passen, solch ein Eingeständnis zu machen“, sagte er.

Altes Gesetz aus Kriegszeiten

Eine Entscheidung des Gerichts, ob Assange gegen seine drohende Auslieferung in die USA Berufung einlegen darf, soll in den kommenden Wochen fallen. Sollte das Gericht gegen ihn urteilen, kann er in Großbritannien selbst keine weiteren juristischen Schritte mehr unternehmen.

Seine einzige Hoffnung wäre dann nur noch, sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu wenden. In den USA drohen ihm bis zu 175 Jahre Haft, sollte es nicht zu einem Deal kommen. Das heißt, Assange würde ohne Frage im Gefängnis sterben.