Ludolf von Maltzan muss ausweichen, als ein Mitarbeiter eilig vorbeiläuft. Es ist etwas eng in der Lagerhalle in Eberswalde, obwohl die erst kürzlich erweitert wurde. Eine Kiste nach der anderen rollt über das Förderband, an verschiedenen Stationen wird sie mit frischem Obst und Gemüse befüllt. Der Geschäftsführer des Ökodorfs Brodowin kann selbst kaum glauben, wie erfolgreich sein Lieferdienst für Bio-Lebensmittel seit fast einem Jahr ist. „Die Nachfrage ist zu Beginn der Coronakrise enorm gestiegen“, sagt Maltzan.

Das Ökodorf Brodowin besteht seit Anfang der 1990er Jahre. Damals wurde ein ehemaliger DDR-Großbetrieb in einem Dorf nahe Eberswalde zu einer ökologischen Agrargenossenschaft umstrukturiert. Seither produziert dieser Betrieb Gemüse, Milch, Käse, Fleisch und Wurst nach den strengen Standards des Bio-Anbauverbandes Demeter. Seit 1995 werden die „Brodowiner Ökokörbe“ nach Berlin, Bernau und Eberswalde geliefert. Die Kunden erhalten jede Woche eine Zusammenstellung verschiedener Produkte zum Festpreis im Abonnement, wie eine Flatrate.

Ludolf von Maltzan führt die Geschäfte seit 15 Jahren. Um die Lieferungen besser organisieren zu können, eröffnete er 2015 das Warenhaus in Eberswalde. Von hier können die Lieferwagen die Berliner Innenstadt über die A 11 in etwas mehr als einer Stunde Fahrzeit erreichen. Im Frühjahr 2020 kam ein Anbau dazu. Eigentlich sollte dort zusätzliche Lagerfläche entstehen. Doch während des Lockdowns bestellten plötzlich viel mehr Großstädter über die Webseite. Maltzan entschloss sich, eine zweite Packstraße einzurichten, um der höheren Nachfrage gerecht zu werden.

In der Küche duftet es nach herzhafter Gulaschsuppe. „Wir kochen jeden Tag ein anderes Gericht“, sagt der Koch Matthias Giese. Die Suppen und Eintöpfe werden in Gläser abgefüllt und dann vakuumiert, um sie haltbar zu machen. Die Fertiggerichte können ebenfalls im Webshop bestellt werden. Die Speisekarte wechselt ständig. Neben klassischen Gerichten wie Gemüseeintopf gibt es auch Gazpacho oder Rote-Beete-Kartoffelsuppe.

Das Gesamtsortiment des Lieferdienstes umfasst beinahe das eines Bio-Supermarktes. Etwa 3000 verschiedene Artikel sind erhältlich, der größte Teil davon kommt von Bio-Großhändlern. Die Betriebe in der Region stellen nicht genug her, um den Bedarf zu decken. Käse und Wurst werden nach Kundenwunsch zugeschnitten wie an der Frischetheke. Außerdem gibt es Tiefkühlprodukte, die in Styroporverpackungen verschickt werden. Die Packungen werden mittels eines Pfandsystems wiederverwendet. Das gilt auch für die Plastikkisten, in denen das Gemüse transportiert wird. Neben dem Privatkundenangebot stellen die Brodowiner auch besondere Pakete für Kitas und Schulen sowie für Unternehmen zusammen.

90 Menschen sind für den Lieferdienst tätig, inklusive der Fahrer. Darunter seien momentan auch einige Beschäftigte, die normalerweise im Restaurant, Café oder Hofladen des Ökodorfes tätig sind, sagt Maltzan. Solange die jedoch geschlossen blieben, helfen die Leute hier beim Packen. Etwa 80 Prozent der Ware gehe nach Berlin, schätzt Maltzan. Bei vielen Kundinnen und Kunden komme die Lieferung nachts an. Diejenigen, die zur Miete wohnen, können den Fahrern ihre Haustürschlüssel geben, dann wird die bestellte Kiste vor die Wohnungstür gestellt. Die Laster fahren mit Diesel, sagt Maltzan. In der Innenstadt werde zum Teil das letzte Teilstück des Lieferwegs inzwischen auch von Berliner Partnerfirmen mit Lastenrädern gefahren.

Im Stress ist auch Kirsten Sattler, die Geschäftsführerin des Lieferdienstes „Obstkorb“ in Rohrlack bei Neuruppin, im Nordwesten des Landes Brandenburg. Seit 1997 gibt es das Unternehmen . Das Sortiment ähnelt dem der Brodowiner Konkurrenz, umfasst aber etwa 6000 Artikel. Die kommen zum Teil aus der eigenen Gärtnerei, außerdem von etwa 50 regionalen Produzenten, zu einem wachsenden Teil jedoch auch von Bio-Großhändlern.

Während des ersten Lockdowns hätten sich etwa 5000 Neukunden im Shop registriert, sagt Sattler. Zwischen Mitte März und Mitte Juni 2020 sei der Umsatz um 80 Prozent gestiegen. Zeitweise habe sie auf einen zweiwöchigen Lieferrhythmus umstellen müssen, um die Nachfrage noch bedienen zu können. Auch der aktuelle Lockdown habe noch einmal etwa 2000 neue Registrierungen gebracht, sagt Sattler. Von denen werden allerdings erfahrungsgemäß nur ein Teil zu Stammkunden.

Das Unternehmen beschäftigt 65 Mitarbeitende. In der ländlichen Region sei es schwer, Personal zu finden, sagt Sattler. Aktuell werde das Team von zwölf externen Helfern unterstützt, die sonst als Reinigungskräfte in Hotels arbeiteten. Etwa 60 Prozent der Lieferungen werden laut Sattler mit Transportern direkt bis zur Haustür der Kunden ausgefahren. Diese Flotte werde jeweils zur Hälfte mit Diesel und Erdgas betrieben. Bei etwa 40 Prozent der Lieferung übernehme ein Kooperationspartner den letzten Teil der Strecke mit Lastenrädern.

Ein weiterer Lieferdienst, die „Märkische Kiste“, versorgt nach eigenen Angaben jede Woche 4000 Haushalte in der Hauptstadtregion. Das wichtigste Produkt sei die Abokiste, die von etwa drei Viertel der Kunden gekauft werde, sagt Geschäftsführer Christoph Scholz. Davon gibt es verschiedene Größen und Varianten, etwa mit den Schwerpunkten Gemüse, Obst oder Käse. Individuelle Zusammenstellungen des Warenkorbs sind ebenfalls möglich. Zu Beginn der Pandemie seien binnen kurzer Zeit etwa 1000 neue Abonnenten hinzugekommen, sagt Scholz. „Wir wollen aber nicht zu schnell wachsen.“ Die Nachfrage lasse sich mit Produkten aus der Region nicht mehr bedienen, Engpässe müssten durch Zukauf von Großhändlern ausgeglichen werden. Um die Qualität hochzuhalten und das Vertrauen der Kunden nicht zu verspielen, habe er sich zu einer „dosierten Neukundenaufnahme“ entschieden. Das bedeutet, dass sich Interessenten zuerst in eine Warteliste eintragen müssen. Die Wartezeit liege bei mindestens zwei Wochen. Das Unternehmen besteht seit 1997 und hat 65 Beschäftigte. Am Hauptsitz in Marienfelde gibt es zwei Packstraßen für Obst und Gemüse sowie eine dritte für Milchprodukte. Geliefert wird innerhalb des Autobahnrings bis zur Haustür. Die Anfahrt zum Kunden sei kürzer als bei den Mitbewerbern und damit klimafreundlicher, sagt Scholz. Die Auslieferung erfolgt mit insgesamt 17 Fahrzeugen, von denen zwei mit Elektromotoren fahren. Auch hier werde ein Teil über Partner mit Lastenrädern transportiert.

Überwältigt von der hohen Kundenzahl sind auch kleinere Anbieter. So nimmt der Lieferdienst des Demeter-Hofes Apfeltraum im ostbrandenburgischen Müncheberg momentan keine neuen Kunden an. Normalerweise gibt es dort verschiedene Themenkisten, wie etwa die „Frühstückskiste“ im Abonnement. Die Preise liegen zwischen 16 und 24 Euro.

Aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Vetschau kommt die „Ogrosener Landkiste“ mit ökologisch erzeugtem Gemüse. Einen Webshop gibt es nicht, Bestellungen können per Telefon, Fax oder E-Mail abgegeben werden. „Wenn wir auf dem Feld sind, bitte gerne auf Band sprechen“, heißt es auf der Webseite.